von Christoph Moder
Warum das Ganze?[...] |
VorbereitungenSeit Wochen denke ich schon an diese Radtour. Endlich mal dem Alltagswahnsinn entfliehen, dem Stress, ich will was Besonderes. Das Wetter bleibt unbeständig, der Regen wird im August weniger, aber trotzdem gibt es mindestens einmal am Tag einen längeren Regenschauer; es ist zwar nicht kalt, aber für die Jahreszeit wegen der ständigen geschlossenen Wolkendecke zu kühl, aber vor allem steckt die Feuchtigkeit überall, so macht Radfahren keinen Spaß. Was braucht man? Wasserdichte Satteltaschen auf jeden Fall, praktisch den gesamten Juli hat es durchgehend geregnet. Und ich leiste mir auch noch Klickpedale. |
Dienstag, 08.08.2000Bis in die Nacht hatte ich noch gepackt, deshalb mache ich mir keinen Stress mit losfahren; um 8 Uhr wollte ich losfahren, so bin ich eben eine halbe Stunde später dran. In Kirchseeon lade ich noch das Zelt ein (zum Glück passt es perfekt obendrauf), und kurz nach neun bin ich in Zorneding beim Michael. Wir lassen es gemütlich angehen, um zehn fahren wir los, und machen erstmal einen Zwischenstopp beim Fotogeschäft der Apparat braucht noch Filme und eine Batterie (zwei Diafilme, Sonderangebot, 400 ASA). Dann geht es richtig los. Nach Norden, über Grub zum Speichersee, über den Damm, in das Erdinger Moos. Mit leichter Unsicherheit irren wir durch dieses vollkommen ebene Gebiet mit seinen endlosen, breiten, rechtwinkligen und kaum befahrenen Straßen, durch lange Straßendörfer, und finden doch noch den Weg nach Goldach, von wo wir über Hallbergmoos über die Isarbrücke nach Neufahrn (bei Freising) fahren. Von dort aus geht es nach Norden weiter, über die Autobahn; dann verfahren wir uns kurz nach Osten, weil wir denken, wir seien über die Nürnberger Autobahn gefahren, es war aber die Landshuter Autobahn, die sich hier in der Nähe im Neufahrner Autobahnkreuz auf die Nürnberger trifft wir merken es an den startenden Flugzeugen, die ihre Kurven immer näher zu uns fliegen. Weiter geht es über das Ampertal, über Kranzberg (man fährt einen steilen Berg in den Ort hinauf, und auf der anderen Seite wieder runter, obwohl der Weg doch genauso gut unten im Tal am Ort vorbeigehen könnte. In der Entfernung sehen wir die Nürnberger Autobahn auf der anderen Seite des Tales, und wundern uns, wie wir schon x-mal hier vorbei gefahren sein können (auf der Autobahn), ohne die Landschaft zu kennen. In Allershausen kommt der erste größere Zwischenstopp, im Supermarkt (Edeka) wird eingekauft, wir essen eine Honigmelone. Dann queren wir die Autobahn, das schöne Wetter weicht immer mehr einer Wolkendecke, die sehr nach Regen aussieht. Und ab hier, in der Nähe von Pfaffenhofen (an der Ilm), wird die Landschaft richtig nervig: eine endlose Hügellandschaft, mit wenig Wald, wenig direkten Straßen, ein endloses Auf und Ab kostet bei unserer Menge Gepäck viel Kraft. Scheinbar geht es mehr auf als ab, zumindest bis Scheyern. Dort sehen wir aus der Entfernung die stattliche Abtei, und es geht wieder mehr abwärts. Dafür werden die Wolken immer schwärzer, ein Gewitter zieht auf. Wir fahren weiter, schauen, wie weit wir kommen. In Gröbern in der Nähe von Hohenwart stellen wir uns in einem Bauernhof unter, und nur Sekunden später bricht ein Schauer los der allerdings so schnell verschwindet, wie er gekommen ist. Wir essen noch ein paar Kekse, und weiter geht's. Endlich lassen wir die Hügellandschaft hinter uns, und das Land bricht an einer Kante ins Donaumoos ab. Das ist wieder eine typische Moorlandschaft: pechschwarze Erde, vollkommen eben, und die Dörfer, insbesondere Karlshuld sind ewig lange Straßendörfer, mit extrem breiten Straßen und Gehwegen, trotzdem halten sich die Leute an das Tempolimit. Das erstaunt uns. In einem Edeka kaufen wir wieder Getränke; und am Ortsausgang erwischt uns das nächste Gewitter. Wir ziehen uns regendicht an, ich probiere meine neuen Gamaschen aus (ganz brauchbar, wenn die Schuhe nicht so wasserdicht sind), aber der Regen wird schnell stärker. Wir stellen uns bei sehr netten Leuten unter, und unterhalten uns eine Weile. Weiter geht es am Neuburger Militärflughafen vorbei, und wir kommen nach Neuburg an der Donau. Eigentlich wollten wir weiter kommen, aber wir haben keine Lust mehr, und fahren auf den durch den Regen etwas schlammigen Campingplatz, der zum Glück recht zentral liegt, und richten uns ein. Danach packen wir unsere Wertsachen in unsere Rucksäcke und gehen in die Stadt. Durch einen Durchgang geht's hinauf in die erstaunlich hochgelegene und gut erhaltene Altstadt und in einem großen Bogen zurück Richtung Donaubrücke. In einer Seitenstraße finden wir eine sehr gute und billige Pizzeria, wo wir essen. Dann laufen wir gemütlich zum Zelt zurück. |
Mittwoch, 09.08.2000Alles ist nass, wir haben es nicht eilig, sondern packen ganz gemütlich unser Zeug und fahren gegen 9 Uhr los. Zuerst geht es noch über einen Berg, der aber nicht so wild ist, und bald sind wir im Wellheimer Trockental. Die Sonne scheint, und es geht einigermaßen flach dahin. Die Museumsbahn, die von Dollnstein in das Tal führte, wurde leider abgerissen; schade. In Dollnstein kaufen wir uns in der Metzgerei etwas zu essen, und radeln weiter nach Treuchtlingen. Dort Essen wir ein Eis, kaufen Getränke ein (in diesem Supermarkt, wieder ein Edeka, gibt es kein Altmühltaler Sprudelwasser aus Treuchtlingen, wohl aber exotisches Zeug wie Evian, das ist doch krank). Aus dem Ort raus fahren wir auf der Straße, die bergauf geht, aber wechseln dann nach unten auf den Fahrradweg. In Graben sehen wir uns den Karlsgraben an, einen Vorläufer des Rhein-Main-Donau-Kanals. Karl der Große (er war sicherlich mehrmals vor Ort) wollte hier Altmühl und Rezat verbinden, wahrscheinlich durch eine Weiherkette, durch die die Schiffe gezogen und getragen werden konnten (statt der Umladung der Waren auf Fuhrwerke). Nach historischen Aufzeichnungen gab es aber Probleme mit dem Wetter; heftige Regenfälle sorgten dafür, dass die Erdmassen, die die Arbeiter ausgehoben hatten, immer wieder in die Grube zurückrutschten. Aber vieles bleibt unklar: wie der Kanal geplant war, wo die vielen Arbeiter herkamen, wie sie versorgt wurden, wo sie wohnten usw., sicher ist: das Projekt ist gescheitert, nur der Karlsgraben ist als Reststück noch zu sehen. Anschließend fahren wir noch ein paar hundert Meter weiter, und sehen uns den südlichsten Punkt der europäischen Hauptwasserscheide an, wo ein Brunnen ist, dessen Wasser sowohl in die Nordsee als auch ins Schwarze Meer fließt. Dann machen wir uns auf den Weg nach Gunzenhausen. Wie im ganzen Altmühltal ist der Radweg gut ausgeschildert, und wir kommen schnell voran und verfahren uns nur einmal. Wir schauen uns die Fußgängerzone an, und fahren dann zum Altmühlsee nach Schlungenhof, wo wir wieder Wasser auffüllen. Dann geht es weiter am See, und im Norden versuchen wir, den Altmühlradweg nach Ornbau zu finden. Keine Chance (Tipp: er beginnt an der Nordwestecke des Sees), wir kommen aber trotzdem irgendwie nach Ornbau. Das ist ein nettes Städtchen; soweit wir wissen, ist die Altmühl der langsamste Fluss von Bayern, und Ornbau die kleinste Stadt Deutschlands, das ist doch was... Dahinter versuchen wir, auf dem Radweg weiterzufahren und enden wieder im Outback. Ab jetzt nur noch Straße! Weiter geht es nach Herrieden, und wir kämpfen uns noch nach Leutershausen weiter. Einen Campingplatz gibt es dort nicht, immerhin ist es eine Stadt, eben mitten in der Landschaft, wo nichts los ist. Wir übernachten auf einem Parkplatz mit Rasensteinen hinter dem Supermarkt. |
Donnerstag, 10.08.2000Erstmal Frühstück und Getränke einkaufen, und dann noch Sonnencrème gestern hat die Sonne ganz schön gebrannt, ich bin etwas rot geworden. Dann über Colmberg auf die Bundesstraße 13. Dort läuft es ganz gut, es gibt eine phänomenale Abfahrt ins Aischtal, in Rudolzhofen (wo die Straße gesperrt ist, weil die komplette Ortsdurchfahrt erneuert wird; mit dem Radl kommt man trotzdem durch und hat den breitesten Fahrradweg der Welt) füllen wir in einem Gasthaus die Wasservorräte auf, und ziemlich bald sind wir in Uffenheim. Dort versuchen wir, ein Fahrradgeschäft zu finden Michael bräuchte eine zweite Trinkflasche, und seitdem wir an der Tankstelle Luft aufgefüllt haben, schleift bei ihm die Gepäckträgerbefestigung am Reifen. Das Fahrradgeschäft hat geschlossen, also versuchen wir es selber zu reparieren, und kaufen dazu an der Tankstelle Isolierband; leider sind wir nicht so erfolgreich, obwohl wir eine knappe Stunde rumtüfteln. Weiter geht es nach Gollnhofen, dort zweigen wir von der Bundesstraße ab. Über hügeliges Land geht es weiter nach Marktbreit, aber weil wir uns dem Main nähern, geht es bergab, so dass wir gut vorankommen. Kurz vor Marktbreit kaufen wir nochmal Getränke (Edeka natürlich), und fahren hinunter in die Altstadt von Marktbreit, die einige Fachwerkhäuser zu bieten hat. Auf der rechten Mainseite geht es weiter nach Norden, durch Kitzingen, und bei Dettelbach machen wir wieder einmal eine Pause. Danach gelangen wir dummerweise auf die andere Mainseite (dort ist der Weg nicht so direkt), und versuchen bei Schwarzach wieder auf den Radweg zu gelangen. Keine Chance, wir verfahren uns ein paar mal, und fahren auf der Straße weiter nach Volkach. Dort kaufen wir Getränke, machen einen kurzen Halt in der Altstadt, und fahren weiter auf der Straße nach Norden. Zuerst geht es zweimal steil bergauf, aber dann erwartet uns auch eine lange, flache Abfahrt, die richtig Spaß macht. Dann sehen wir in der Ferne das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld, und sind bald darauf in Schweinfurt. Am Ortsrand legt ein heftiger Regenschauer los, wir müssen uns in einem Wartehäuschen unterstellen; aber es ist vorbei, bevor der Boden richtig nass geworden ist. Wir fahren in die Fußgängerzone, und erkundigen uns nach einem Campingplatz. Ja, draußen gäbe es einen, bei der Autobahn. Na gut, etwas weiter im Zentrum wäre uns lieber gewesen, aber wie einer der Männer sicherlich richtig sagt: Schweinfurt ist eine Arbeiterstadt. Wir bauen unser Zelt auf (auf diesem Campingplatz beim Haus der Naturfreunde sind die allermeisten Leute Dauercamper und alle Vorurteile treffen zu: Satellitenschüssel, Blumen, Musik ertönt, Gartenzwerge waren sicherlich auch dabei) und laufen in das Stadtzentrum. Dummerweise verlaufen wir uns bei unserer Abkürzung durch das Gewerbegebiet, landen fast beim Hafen drüben, und müssen das ganze Stück auf Rangiergleisen zurücklaufen. In der Innenstadt ist nicht viel los; die Gasthäuser haben entweder geschlossen, sind überteuert, an einer Schicki-Micki-Bar, wo die Jugend der Stadt sitzt, kommen wir auch vorbei, an einer türkischen Spelunke, schließlich finden wir in einer Seitenstraße ein nettes Lokal. Wir bekommen auch noch was zu essen (es ist schon nach zehn), die Bedienung ist sehr nett. Später spendiert sie uns noch zwei Cola großartig. Wir wollen uns mit einem großzügigen Trinkgeld bedanken, aber sie möchte nicht alles nehmen. Dieses Restaurant kann man auf jeden Fall empfehlen. |
Freitag, 11.08.2000Wir brauchen dreimal den Rat von Leuten, um aus der Stadt hinaus auf den Main-Werra-Radweg zu finden. Tipp: Auf der rechten Mainseite nach Westen fahren, zum Stadion hinauf, und von dort nach Niederwerrn. Der Weg ist anfangs nicht schlecht, wir fahren permanent nach oben aus dem Maintal heraus. Über kleine Sträßchen geht es weiter, wir kommen an einem Modellflugplatz vorbei (wo gerade jemand sein Flugzeug abstürzen lässt), auf einem kurzen Stück ist der Weg ein miserabler Schotterweg, und im übernächsten Ort Rannungen machen wir eine Pause und kaufen uns in der Bäckerei etwas zu essen. Das nächste Wegstück führt durch ein Niemandsland, um viele Kurven und über Schotterwege, bis wir nach einigen Kilometern Münnerstadt erreichen. Dort geht es auf der Straße weiter nach Bad Neustadt an der Saale, wo wir wieder Getränke einkaufen. Der Weg geht auf der Straße weiter, und ab hier ist der Autoverkehr ziemlich unangenehm und dicht. Wir wechseln wieder auf den Radweg (und haben wieder Probleme, ihn nicht zu verlieren die Strecke hat teilweise einen abenteuerlichen Verlauf und ist mies beschildert). In Mellrichstadt machen wir auf dem Marktplatz eine Pause, und beobachten die Bundeswehrler, die sich hier herumtreiben. Weiter geht es wieder auf der Straße; direkt hinter dem Ort folgt ein heftiger Anstieg, und hinter dem nächsten Ort geht es gleich nochmal gewaltig und lange nach oben. Wohl fühlt man sich nicht, die Straße ist nicht sehr breit, und es ist viel Verkehr, auch viel Schwerverkehr. Schließlich erreichen wir endlich die Landesgrenze (nach drei Tagen endlich raus aus Bayern), und besichtigen die erhaltenen DDR-Grenzanlagen: mehrere Schranken, ein Rammbock, ein paar Bunker, beeindruckend. Am Berggipfel sind eine Gedenktafel (mit Stacheldraht verziert), die symbolische Goldene Brücke zwischen den Ländern, ein umgestürzter Bundesadler und andere Symbole. Etwas entfernt steht ein ehemaliger Wachturm, den wir uns auch anschauen: drinnen ist alles verwüstet, Kabel hängen heraus, Heizkörper liegen zerbeult im Treppenhaus, vieles ist kurz und klein geschlagen, alle Scheiben sind kaputt. Aber gut vorstellbar, wie hier Wachposten über den eisernen Vorhang gewacht haben, im Obergeschoss mit Rundumblick; ein Gestell, das wie ein Monitorhalter aussieht, und ein großer Schaltschrank im Keller lassen erahnen, wie die Ausstattung gewesen sein muss. Wir fahren hinunter nach Thüringen, und sind bald in Meiningen. Dort gibt es wieder einen Radweg, direkt an der Werra, nahezu ideal. Aber bald verliert sich der Weg wieder, wir finden ihn wieder, und er leitet uns über eine miese Betonplattenstrecke (bei unserem Gepäck!) an einer Müllhalde vorbei hintenherum in den nächsten Ort. Nein danke, wir haben wieder genug, und nehmen die Straße. Diese ist in sehr gutem Zustand, ganz neu geteert (wie alle Straßen in dieser Gegend außerhalb der Ortschaften), und es geht gut vorwärts. Dazu tragen sicher auch die tieferen Temperaturen am Abend bei. An einer Tankstelle werden nochmal Getränke gekauft, und wir rollen weiter. Hinter Niederschmalkalden ist die Straße sehr gut ausgebaut und breit, und mit einem großzügigen Seitenstreifen, wir kommen gut voran. Am Ende der Ausbaustrecke sollte ein Campingplatz sein, Michael hat ein Schild gesehen; aber wir finden nichts, und auch die Karte auf dem Laptop hilft nicht weiter. Wir beschließen Richtung Bad Salzungen (noch 10 km) zu fahren, weil das immerhin eine größere Stadt ist. Aber nach der Hälfte der Strecke finden wir den Campingplatz Immelborn, an einem See gelegen. Dort machen die Feuerwehren des Landkreises, das Technische Hilfswerk und andere eine Großübung, mit Booten, Spezialfahrzeugen, Pontons usw., der Besitzer des Campingplatzes ist nicht sehr begeistert. Wir bauen unser Zelt auf, holen uns am Kiosk etwas zu essen (es gibt nur Bockwurst), und schauen den Katastrophenschützern zu, wie sie ihr Zeug einpacken und losfahren. |
Samstag, 12.08.2000Wir wollen uns die Schleife, die die Werra von hier nach Westen macht und den Weg mindestens verdoppeln würde, abkürzen, und fahren auf der direkten Straße. Unterwegs kaufen wir uns etwas zu essen, und bald schon geht es den Berg hinauf. Wir haben uns schon gedacht, dass es hügelig sein würde, aber nicht so extrem. Als wir schließlich oben angekommen sind, ist dort ein Restaurant (wo wir Wasser auffüllen), und wir sehen, dass wir den Rennsteig, ein Wanderweg entlang des Thüringer Waldes gequert haben; na dann... Es geht flott hinunter nach Eisenach, und wir fahren mit dem Fahrrad den Fußweg zur Wartburg hinauf; zumindest die erste Hälfte, dann wird es nämlich verflixt steil. Oben angekommen laden wir unser Gepäck um (so dass wir die wertvollsten Dinge im Rucksack mitnehmen), und besichtigen die Burg. Wirklich ein imposantes Ding in einer ebenso imposanten Lage oberhalb der Stadt. Zuerst besichtigen wir den Südturm, in dem der Wiedertäufer Fritz Erbe mehrere Jahre bis zu seinem Tod eingekerkert war (weil er sich weigerte, sein Kind zu taufen, und einer anderen Wiedertäuferin Unterschlupf gewährte, und seine Haltung nicht abschwören wollte). Der Kerker ist unten im Turm, und nur aus dem ersten Geschoss durch das enge Hungerloch zu erreichen, von dem aus es zirka drei Meter in die Tiefe geht. Von der Turmspitze hat man einen schönen Ausblick, in der Ferne sieht man unter Anderem das Burschenschaftendenkmal. Dann kaufen wir uns ein Ticket, um das Burgmuseum und die Lutherstube besichtigen zu können. Das Museum hat allerlei Zeug aus der Ritterzeit und danach, aber es erscheint recht unzusammenhängend. Erwähnenswert sind einige Lutherbilder von Lucas Cranach d.Ä. Dann geht es weiter in die Vorburg, die im Gegensatz zum Südturm und Palas weitestgehend im Originalzustand erhalten ist. Die Lutherstube ist ein Raum mit einem Ofen und Holzwänden, in dem ein u.a. ein Walfischwirbel steht, den Luther als Fußbank benutzt hat. Der Originaltisch ist leider nicht mehr vorhanden, er wurde von Touristen (die bereits seit 400 Jahren hierher pilgern) im Laufe der Zeit zerstört. Der jetzige Tisch stammt immerhin aus Luthers Elternhaus oder so ähnlich. Und was ist mit dem berühmten Tintenfleck? Nicht zu sehen. Man erfährt Folgendes: Unklar ist, ob es ihn jemals gegeben hat. Ob Luther mit seinem Ausspruch, er habe den Teufel mit Tinte bekämpft, das wörtlich gemeint hat, ist die Frage auf jeden Fall ist in dem Raum nur hinter dem Ofen Mauerwerk, und diese Mauer ist natürlich durch den Ruß des Ofens geschwärzt. Auf jeden Fall war diese Mauer schon seit Jahrhunderten Ziel der Andenkenjäger, und jeder hat sich ein Stück tintengeschwärzten Putz mitgenommen und so im Laufe der Zeit tiefe Löcher in die Wand gegraben. Nach seinem Thesenanschlag in Wittenberg und dem Aufritt vor dem Wormser Reichstag erhält Luther hier Zuflucht; getarnt als Junker Jörg arbeitet er hier, und nur wenige Freunde wissen davon. Er übersetzt die Bibel und schreibt etwa ein Dutzend weitere Abhandlungen; interessant. Steil bergab geht es nach Eisenach hinunter (wo man, wenn man Zeit hätte, Lutherhaus, Bachhaus, die Kirche, wo Luther predigte und Bach getauft wurde u.v.m ansehen könnte). Es ist Samstag kurz vor vier, gleich machen die Geschäfte zu noch einmal einkaufen muss sein. Danach geht die Straße steil über einen Berg (als ob wir heute nicht schon genug Berge gehabt hätten), und in Creuzburg erreichen wir wieder die Werra. Dort wechseln wir wieder auf den Radweg durchs Werratal, der sich nach einem kurzen Stück aber als Trampelpfad herausstellt. Mit viel Gepäck über Baumwurzeln hoppeln, das ist brutal. Im nächsten Ort wechseln wir auf die Straße, die wieder sehr gut ausgebaut ist, und fahren über Mihla weiter bis nach Frankenroda. Von dort führt keine Straße weiter, aber Radwege, die nicht schlecht sind. In Falken brauchen wir wieder eine Pause, und setzen uns in ein Eiscafé. Weiter geht es auf dem Radweg nach Treffurt, und dann nach Eschwege. In der Stadt verfahren wir uns wieder und driften einige Kilometer nach Süden aus dem Tal hinaus ab; wir müssen wieder zurück, daher schaffen wir unser Etappenziel Witzenhausen nicht, sondern müssen hier übernachten. Hier gibt es ein paar Seen, und der Campingplatz ist riesig und voller Dauercamper. Der Platzwart ist nicht da, also suchen wir uns selber einen Zeltplatz, ohne zu bezahlen. |
Sonntag, 13.08.2000Es ist kalt und neblig; ich friere etwas, alles ist grau in grau. Wir fahren zum Platzwart und bezahlen (er erlässt uns ein Drittel des Preises, da wir den Schlüssel zum Waschraum nicht bekommen hatten), und im Ort holen wir uns in der Bäckerei ein Frühstück. Weiter geht es durchs Werratal bis Witzenhausen, und von dort über einen langen, aber flachen Anstieg ins Leinetal bei Friedland. Wir sind ziemlich geschafft von den vielen Bergen gestern, aber wissen auch: wir müssen heute bis Hannover kommen, weil wir uns für einen weiteren Tag auf den Rädern wohl nicht mehr aufraffen könnten langsam tut uns alles weh, wir sind geschafft. Der Weg ist leider nicht so eben wie erhofft, aber es geht doch einigermaßen zügig nach Göttingen. Mittags sind wir dort, und gönnen uns einen Eiskaffee. Weiter geht es nach Norden bis Northeim, wo wir Wasser auffüllen, und ein Schild des Radelwegs nach Einbeck sehen. Ideal; wir fahren los, der Weg verzweigt sich mehrere Male; und an der Leine unter der Autobahnbrücke ist Schluss. Scheiß Radwege, andauernd verfährt man sich, die gut 2 Kilometer müssen wir wieder zurück, was das an Zeit kostet, nur weil die keine ordentliche Beschilderung machen können. Aber wir finden den richtigen Weg (sicherheitshalber nochmal nachfragen), und fahren bis kurz vor Einbeck. Um im Tal zu bleiben, biegen wir nach Salzderhelden ab, und suchen ein Restaurant. Gibt nix, auch die Bahnhofsgaststätte hat zu. Wir fahren weiter, plötzlich geht es steil den Berg nach oben nein, so war das nicht gedacht, wir wollen im Leinetal bleiben. Wir wollen die Bahn überqueren, an einer Rufschranke müssen wir erst drei Züge durchlassen, bis uns geöffnet wird. Dann stehen wir auf einem Feldweg, der in der Wiese endet, und Angler sagen uns, dass es hier nicht weiterginge; wir könnten das Rad am Fluss entlang schieben, über eine Brücke, die allerdings mit Stacheldraht versperrt ist, durch einen Tunnel unter der Bahn durch, ein paar Kilometer außen herum... nein danke, dann lieber wieder zurück über den Bahnübergang, den Berg hinauf, drüben hinunter, nach Kreiensen. Dort gibt es ein Gasthaus; es ist aber niemand da. Wir gehen nochmal in den Biergarten, extra geräuschvoll die Treppe hoch, und dann taucht ein Mann auf. Wir fragen, ob wir was zu essen haben können, ja, ein Schnitzel ist in Ordnung, und ein großes Spezi. Das tut gut. Der Mann ist irgendwie seltsam, nicht gerade freundlich, und es ist auch nicht sehr billig; mit einem weiteren großen Spezi 23 DM. Aber besser als gar nix, wir waren so geschwächt, wir haben unbedingt was gebraucht (abgesehen von den paar Semmeln morgens und dem Eis in Göttingen haben wir nichts gegessen, und sind 100 km gefahren). Aber noch etwa 60 km liegen vor uns, und es ist schon kurz vor sechs abends. Zäh geht es weiter, über eine hügelige Strecke (wenn die Straße schon im Leinetal verläuft, warum muss sie dann an den Hängen bergauf und bergab führen?). Bei Freden geht es nochmal über einen hohen Berg, und gegen sieben sind wir in Alfeld. Wir schmeißen uns jetzt immer wieder Traubenzucker ein, in der Hoffnung, das gibt uns Energie; am Bahnhof ist leider kein Wasser zu bekommen (weil die Toilette abgesperrt ist, der Schlüssel am Kiosk zu haben ist, und der am Sonntag geschlossen hat), aber in einem Kiosk/Restaurant ein Stück weiter haben wir mehr Glück. Das nächste Ziel ist Gronau; auf einer kleinen Straße im Tal kommen wir einigermaßen zügig dorthin, und auch die kühlen Temperaturen am Abend helfen. Dann weiter nach Nordstemmen (schnurgerade auf dem Fahrradweg, auf dem nur die Unebenheiten durch Baumwurzeln stören). Wir fragen eine Dame, ob es hier schon S-Bahn-Anschluss gäbe. Nein, aber in Sarstedt, etwa 10 km weiter. Das schaffen wir heute auch noch. Es geht flott dahin, und bei Einbruch der Dunkelheit sind wir da. Am Bahnhof erkundigen wir uns: Campingplatz? Auf jeden Fall in Hildesheim; S-Bahn? Nein, aber Straßenbahn. Es gäbe aber gar nicht weit weg an einem See ein Bootshaus (zwischen Bahn- und ICE-Strecke), neben dem wir zelten könnten. Warum nicht. Wir rollen langsam dorthin und bauen unser Zelt auf. |
Montag, 14.08.2000Endlich angekommen. Aber nicht wirklich fit, und noch ohne
Unterkunft. Wir wissen fast gar nichts. Weder wo es hier in der Umgebung
einen Campingplatz gibt, noch wie die Belegung während der EXPO aussieht
ob alles weit und breit ausgebucht ist und man nur zu Wucherpreisen
in ungünstig gelegenen Hotels unterkommt, oder ob es kein Problem
darstellt. Egal, heute machen wir alles in Zeitlupentempo. Ganz langsam
aufstehen, sich umschauen, Zeit vertrödeln, irgendwann dann in die
Stadt laufen (nein, wir fassen die Räder nicht mehr an!). Wir laufen
bis in die Fußgängerzone von Sarstedt, setzen uns dort in ein
Café, und trinken einen Eiskaffee. Auf dem Weg zurück schauen
wir in einem Fahrradgeschäft (das gleichzeitig Elektrogeschäft
ist faszinierend) vorbei, sehen uns die Biogrip-Handgriffe und
stabile Gepäckträger an, kaufen wir uns in einem Supermarkt
etwas zu trinken und einige Birnen ein, und schlendern wieder zurück.
An einer schattigen Bank machen wir Pause, essen und trinken. Es ist heiß,
wir sind erschöft, immer noch dreckig von ein paar hundert Kilometern
Straße, und es ist schon früher Nachmittag wir brauchen
jetzt einen Campingplatz. Wir haben zwar schon einige Leute gefragt, aber
die wussten auch nichts; allerdings wüßten wir wohl auch keine
Antwort, wenn uns jemand fragte, wo bei uns zuhause der nächste Campingplatz
ist. Gelbe Seiten, das ist die nächste Idee. Weil die nächste
Telefonzelle (einen speziellen Typ von eckigen Kartentelefonen gibt es
hier) geplündert ist, pilgere ich ins Postamt. Die Gelben Seiten
bieten zwar nur drei weit verstreute Plätze, aber die sehr nette
Dame am Schalter sagt, ganz in der Nähe der EXPO gäbe es einen
neben der Straße. Anhand des Stadtplanes kommen wir darauf, dass
der irgendwo bei [...] sein muss, sie sagt, das seien so etwa 10 Kilometer.
Na gut, das ist doch was; wenn dieser Platz voll ist, dann können
uns die Leute dort sicher weiterhelfen. Wir laufen zurück zum Zelt,
packen es zusammen, und radeln ganz gemütlich Richtung
Norden (langsam hassen wir Fahrräder; alles tut uns weh). Bei der
Abzweigung nach Osten, wo der Campingplatz nach ein paar hundert Metern
liegen sollte, nehmen wir anscheinend den falschen Weg; wir fragen eine
Passantin, die sagt, der Campingplatz sei geradeaus bei der neuen Fußgängerbrücke.
An einem Stadtplan stellen wir unseren Irrtum fest; aber weil die Frau
bestätigt hat, dass geradeaus ein Campingplatz ist, fahren wir weiter.
Tatsächlich, da ist einer: direkt neben der Bahnlinie, in Sichtweite
der EXPO und des Bahnhofs Laatzen, und (wenn man die unattraktiveren Plätze
unten an der Bahn nimmt) nur 10 DM pro Person und Nacht. Super! |
Dienstag, 15.08.2000Zuerst wollen wir uns um unsere Rückreise kümmern.
ICE soll es schon sein, und billig. Wir laufen zum Messebahnhof, und nachdem
der bescheuerte Automat mit Touchscreenbedienung uns kaum weiterhelfen
kann (kennt kein Guten-Abend-Ticket), wenden wir uns an den Schalter.
Fahrrad mit dem ICE sei nicht möglich, weil der ICE kein Fahrradabteil
hat; nur der ICT, der in die Schweiz fährt, hat sowas. Wir müssten
einen Interregio nehmen und irgendwo umsteigen, und das Guten-Abend-Ticket
geht auch nicht, weil wir damit zu lange unterwegs sind. Wir nehmen uns
eine Broschüre über Fahrradtransport mit der Bahn, und entdecken
dort die Möglichkeit, die Räder per Kuriergepäck heimzuschicken.
Das kostet für zwei Räder 82 DM, aber wir können ICE
fahren, und weil der so schnell ist (bis München Pasing 4 Stunden
34 Minuten), das Guten-Abend-Ticket nehmen und kommen sogar
noch billiger weg als mit IR. Achja, das ginge auch, meint der Mann am
Schalter, aber wir müssten eine Abholadresse angeben können,
nein, vom Bahnhof die Räder abholen zu lassen, das ginge nicht. Zurück
zum Campingplatz lassen wir uns dort die Adresse des Campingplatzes geben,
die Dame ist sehr freundlich und sagt, sie werde sich um die Abholung
kümmern, und will unser Trinkgeld nicht annehmen. Von diesem Benehmen
könnten sich die von der Bahn mal was abschauen. Mit einem kurzen
Anruf erfahren wir, dass der früheste Abholtermin morgen früh
sei, und laufen wieder zum Bahnhof, um die Sache zu buchen. Jetzt endlich
geht es auf die EXPO. |
Mittwoch, 16.08.2000Wir stehen früh auf, um pünktlich um 8 Uhr
unsere Fahrräder abgeben zu können (die Abholung ist irgendwann
zwischen 8 und 13 Uhr), und fahren dann gleich nach Hannover, um
die Stadt zu besichtigen. Am Bahnhof gibt es ein kostenloses Heftchen,
in dem allerhand Wissenswertes über die Stadt drinsteht. Zuerst ziehen
wir uns in der Fußgängerzone ein Frühstück rein,
und dann geht es weiter auf dem roten Faden. Der rote Faden, das ist ein
roter Streifen auf der Straße, der etwa 4 km durch die ganze
Innenstadt an allen Sehenswürdigkeiten vorbei führt; im Rathaus
kann man sich ein dazu passendes Heftchen kaufen. Wir laufen los, durch
die Fußgängerzone, am Kröpcke (ein früherer Verkehrsknotenpunkt,
heute mitten in der Fußgängerzone) und an der Marktkirche vorbei,
ans Hohe Ufer (eine Straße an der Leine; daher hat die
Stadt auch ihren Namen: von der Siedlung an de hohe Ofer),
wo Nana-Skulpturen der Künstlerin Niki de Saint-Phalle stehen, und
von dort aus weiter Richtung Neues Rathaus. Unterwegs kaufen wir noch
einen Film und in einer Bäckerei etwas zu Essen, finden ein Haus
mit einem faszinierenden Innenhof (ein Kunstwerk aus lauter Stahlsäulen,
oder wie man die Dinger nennen kann). Das Neue Rathaus ist ein recht großes
Gebäude aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts, mit einer großen
Kuppel, in der ein Schrägaufzug entlang der Kuppelwölbung nach
oben fährt der einzige dieser Art in Deutschland. Im Erdgeschoss
gibt es mehrere Modelle, die die Stadt im 17. Jahrhundert, 1939, 1945
und heute zeigen. Dazu ist zu sagen, dass die Stadt sehr stark im Krieg
zerstört wurde (zu 85%), und daher seine Altstadt, die den gesamten
Bereich zwischen den Stadttoren ausfüllte, verloren hat. Heute stehen
nur noch sehr wenige alte Häuser, und das ist wirklich schade: die
Fußgängerzone ist zwar nicht klein, sieht aber nur durchschnittlich
aus, weil die Häuser dort genauso aussehen wie in den Außenbezirken.
Leider können wir nicht auf die Kuppel hinauf fahren, weil die Wartungsarbeiten
am Aufzug nicht abgeschlossen sind; aber bis zur ersten Gallerie kann
man hoch. Das machen wir, und der Ausblick ist auch da nicht schlecht.
Wie wir erfahren, ist der weiße Berg, den wir bei Sarstedt das erste
Mal gesehen haben, eine Abraumhalde eines Kalibergwerks, von denen es
mehrere in der Umgebung gibt (eine weitere Abraumhalde wird begrünt
und eine andere wieder zurück in den Schacht gefüllt); der andere
Berg in der Ferne ist die Mülldeponie Altwarmbüchen. Die Kraftwerke
im Nordwesten und Osten sind Kohlekraftwerke am Mittellandkanal, und natürlich
sieht man auch die EXPO sehr gut. (Das Ostgelände wurde übrigens
extra für die EXPO angelegt, während das Westgelände das
normale Messegelände inkl. Parkplätze ist) Richtung Südwesten
sieht man in der Nähe das Niedersachsenstadion am Maschsee, der im
Dritten Reich von Zwangsarbeitern angelegt wurde. Und zu diesem See wollen
wir jetzt auch hin, denn da ist das Sprengel-Museum, das angeblich nicht
schlecht sei. Wir laufen dorthin; weil gerade eine Sonderausstellung über
Kurt Schwitters (Aller Anfang ist MERZ) eingerichtet wird
und dieser Teil des Museums nicht besichtigt werden kann, ist der Eintritt
kostenlos. Fein. Das Museum sieht von außen sehr modern aus, und
innen kann man sich fast verlaufen, so verwirrend sind die Ausstellungen
im Untergeschoss angelegt. Wir sind richtig erstaunt, was dort alles für
Kunstwerke hängen: jede Menge Picassos, Paul Klee, Franz Marc, Wassily
Kandinsky, Gabriele Münter, natürlich Kurt Schwitters (der aus
Hannover stammt), inklusive einer Rekonstruktion seines Merzbaus, Jawlensky,
Beckmann, Nolde, Dix, Arp, Moore, Duchamp, Dalí, Miró ...
so ziemlich jeder moderne Künstler, dessen Namen wir schon einmal
gehört haben, ist hier vertreten. Wir sind schwer beeindruckt. Oben
gibt es noch eine Ausstellung von James Turrell, die sich mit Licht befasst;
in einer Kabine kann man die Helligkeit und die Farbkomponenten der additiven
Farbmischung Rot, Grün und Blau sowie Blitzfrequenz und Lautstärke
eines Tones einstellen, ein weiteres Objekt ist ein Tunnel, der praktisch
absolut dunkel ist; man tastet sich am Handlauf nach innen und setzt sich
auf einen von zwei Stühlen und wartet nach einigen Minuten
hat sich das Auge angepasst, und man sieht gegenüber einen ganz schwachen
Lichtkreis, gerade so wahrnehmbar. Und Slow Dissolve ist ein
Raum mit gedämpftem Licht, auf dessen eine Wand ein magentafarbenes
Rechteck projiziert ist. Faszinierend. Wir kommen dann an der Ruine der
Aegidienkirche, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, vorbei;
im Inneren ist eine Installation aus Kreuzen, die in der Mitte viele Nägel
haben ja, genau, die sind von Günther Ücker. Wir laufen
an der Oper vorbei zurück zum Hauptbahnhof, und fahren mit der Stadtbahn
Richtung Sarstedt zurück zum Campingplatz. Was gibt es noch zu Hannover
zu sagen? Aufgefallen sind uns die vielen Kunstwerke, die im Stadtgebiet
herumstehen; sogar manche Bushaltestellen wurden zu Kunstwerken umgestaltet.
Und die vielen Brunnen gut, es sind vielleicht gar nicht so viele,
aber es sind keine alten Brunnen nach dem Standardschema, sondern immer
sehr faszinierend gemachte Wasserspiele. Die Fahrradwege sind hier deutlich
breiter als woanders, man fährt auch mehr Fahrrad aber nicht
schneller, und die Fahrräder sind im Allgemeinen besser. Auch Bromptons
scheint es einige zu geben, wir haben an einem Tag mindestens drei gesehen
dazu muss man in München wochenlang unterwegs sein. Die Fußgängerzone
ist relativ groß für so eine kleine Stadt (500000
Einwohner). Und was gibt's sonst noch zu sagen? Berühmte Hannoveraner
sind der Mathematiker Leibniz, Freiherr von Knigge, Wilhelm Busch (es
gibt ein Museum über ihn), der Keksfabrikant Bahlsen (der seine Kekse
nach dem Mathematiker Leibniz benannte), der Schokoladenfabrikant Sprengel
(sein Enkel gründete das Sprengel-Museum). Neben Bahlsen und Sprengel
haben Hapag-Lloyd, Pelikan, Continental und TUI ihren Sitz in Hannover,
und auch der Baggerhersteller Hanomag (wie der Name schon sagt...). Hannover
hat die größte Messegesellschaft der Welt und richtet einige
der weltgrößten Messen (CeBIT, Hannovermesse) aus das
kommt daher, weil nach dem Zweiten Weltkrieg die Messestadt Leipzig im
Osten lag. Es gibt dort auch das weltgrößte Schützenfest,
die Chaostage, einen internationalen Feuerwerkswettbewerb... wer hätte
das gedacht? |
Donnerstag, 17.08.2000Wir packen unser Zeug zusammen und bauen das Zelt ab (leider
hat es in der Nacht mehrmals geregnet, so dass es ziemlich nass ist).
Dann laufen wir mit unserem ganzen Gepäck zum Bahnhof (Wahnsinn,
wie schwer das ist kaum zu glauben, dass wir es fast 800 km
quer durch Deutschland geradelt haben, wenn wir schon auf den paar hundert
Metern zum Bahnhof schlapp machen. Dort wollen wir es in ein Schließfach
sperren, so dass wir heute abend von der EXPO aus direkt in den Zug steigen
können. Aber es gibt nur eine Gepäckaufbewahrung; die ist teurer
(6 DM pro Gepäckstück!), hat nicht rund um die Uhr geöffnet,
und eine lange Schlange steht an. Gut gemacht, liebe Bahn! Wenigstens
können wir die Satteltaschen zusammenhängen, so dass sie nur
als ein Gepäckstück zählen. |