Kann man mal eben in einem Tag von München bis zum Gardasee radeln? Theoretisch ja, aber eine alltägliche Radtour ist das sicher nicht. Müsste man mal ausprobieren – denke ich mir schon seit einer ganzen Weile, und irgendwann im Frühjahr tauchte Jörg beim Liegeradstammtisch mit einer ersten Routenplanung auf. Er kennt die Strecke und weiß, dass es ab Bozen einen wunderbaren Radweg im Etschtal gibt. Weil so ein Unternehmen gutes Wetter voraussetzt, kann man keinen Termin lange vorausplanen, aber wir fassen Anfang August ins Auge.
In der ersten Augustwoche treffen wir uns wieder zum Liegeradstammtisch, und es herrscht gerade eine Schönwetterperiode, was in diesem etwas verregneten Sommer schon erwähnenswert ist. Die Vorhersage für das Wochenende ist hervorragend – also ziehen wir es durch! Außer Jörg und mir hat sich auch noch Roman bereit erklärt, mitzufahren (obwohl er bis zuletzt an seiner Diplomarbeit gearbeitet hat und alles andere als erholt und trainiert ist), und Martin, der Supersportler. Für ihn dürfte es eher ein Spaziergang sein.
Wir vier sitzen abends bei Jörg auf der Dachterrasse und grillen. Eigentlich war geplant, durch das Inntal nach Innsbruck zu radeln und deshalb bei mir in Ebersberg zu starten, allerdings meinte Martin, dass der Weg über Mittenwald kürzer sei und er ihn außerdem auswendig kenne. Dass dafür ein ziemlicher Berg zwischen Kochel und Innsbruck zu überwinden ist, scheint ihn nicht zu stören – wir anderen sind zwar etwas skeptisch, aber widersprechen nicht; er kennt sich schließlich aus. Nachdem die Sonne untergegangen ist, beginnt es leicht zu tröpfeln. Einerseits gut, weil ein bisschen Abkühlung ganz gut täte, speziell für die morgige Tour. Andererseits wollen wir nicht im Regen fahren, möglichst nicht einmal auf nassen Straßen. Nachdem der Regen vorüber ist, brechen Martin und Roman auf; ich darf bei Jörg übernachten. Er gibt mir noch die Gepäckträgertasche von seiner Freundin, weil er meint, dass meine Ortlieb-Taschen inakzeptabel im Wind stehen würden; ich hatte eben nichts Besseres. Und so packen wir unser Zeug, bevor wir uns ins Bett hauen.
Kurz nach drei stehen wir auf, frühstücken, und schwingen uns dann auf die Räder. Um Punkt vier Uhr sind wir bei Martin, der zwei Kilometer entfernt wohnt und schon auf uns wartet. Dann geht es in Windeseile durch das nächtliche München dahin, Martin kennt die Straßen, wir müssen nirgends anhalten, sondern einfach nur seinem grellen Rücklicht hinterher hetzen. Nach einer Viertelstunde sind wir an der Fürstenrieder Straße, wo wir uns mit Roman, der aus dem Westen kommt, treffen wollen. Außer uns ist fast niemand unterwegs, nur zwei Leute, die die Zeitungskästen befüllen. Nach einigen Minuten trifft Roman ein, ich habe inzwischen eine SMS von einem Freund erhalten, der im Open-Air-Kino ein Double Feature besucht hat; schon krank, in einer Zeit, in der andere Leute gerade erst vom Kino heimgekehrt sind, brechen wir zu einer Radtour auf.
Dann geht es los, durch die Nacht nach Süden, auf der Olympiastraße parallel zur Garmischer Autobahn. Meine drei Mitfahrer rasen wie die Geisteskranken. Sorry, mehr als dreißig Stundenkilometer schaffe ich auf Dauer einfach nicht – vor allem, weil die Straße hier, auf der ehemaligen Seitenmoräne zwischen dem Isar- und dem Ammergletscher, langsam ansteigt. Ich versuche, den roten Rücklichtern in der Ferne so gut wie möglich zu folgen, und hoffe, dass ich mich dabei nicht überfordere und bald mit einem Krampf oder sonstwas kollabiere; noch wichtiger als die Leistung ist heute schließlich die Ausdauer. Jörg empfiehlt mir dann, mich in Martins Windschatten zu hängen, was dann ganz gut funktioniert. Gerade, weil Martin mit seinem Carbon-Tieflieger noch einen Kopf niedriger ist als ich auf meiner Speedmachine, so dass ich gut über ihn drüberschauen kann.
In der Höhe von Starnberg verlassen wir die Straße und es geht wieder abwärts; bei Schäftlarn überqueren wir die Isar, dann geht es durch die Pupplinger Au dahin. Langsam beginnt es zu dämmern, und ich sehe von meinen Mitfahrern im Rückspiegel mehr als nur die Scheinwerfer. Bei Puppling sehen wir am Isar-Ufer Arbeiter, die gerade ein Floß zusammenbauen, mit dem dann tagsüber die Touristen mit Bier und Blasmusik flussabwärts bis nach München schippern werden. Anschließend fahren wir durch Wolfratshausen, wo gerade die Straßenlampen ausgeschaltet werden, und weiter nach Geretsried, welches wir wiederum dank Martins Ortskenntnis auf kleinen Nebenstraßen und Radwegen zügig und ohne Umweg durchqueren. Dann folgen noch einige Steigungen, und gegen 7:00 erreichen wir Kochel am See. Weil hier der erste große Anstieg kommt, machen wir eine Pause am See – ich glaube, nach drei Stunden und 80 km ist das kein Luxus. Vor uns liegt bereits die Spitze vom Herzogstand in der Sonne, während auf dem See noch Dunst liegt, der in der Ferne das Wasser mit dem Himmel verschmelzen lässt.
Dann kommt die Kesselbergstraße, eine serpentinenreiche Straße, die den Höhenunterschied zwischen Kochel- und Walchensee überwindet. Vor ihr habe ich mich ja etwas gefürchtet. Aber die Steigung ist human, in den untersten Gängen lässt sie sich recht gut fahren, Kurve für Kurve kämpfe ich mich nach oben. Martin und Roman sind bereits nach kurzer Zeit außer Sichtweite – in den Bergen muss eben jeder sein eigenes Tempo finden. Es herrscht zum Glück immer noch nicht viel Verkehr, vereinzelt werden wir von Autos und Motorrädern überholt, aber auch ein paar Rennradfahrer ziehen an uns vorbei. Schneller als erwartet, nach rund einer Dreiviertelstunde, bin ich oben, und wir machen wieder eine kurze Pause. Der Hintern tut mir weh. Nein, es ist kein echter Schmerz – auf dem Liegerad reibt man sich nicht wund, aber wenn man sich mehrere Stunden lang mit Kraft in den Sitz stemmt, ist das einfach ungewohnt.
Dann kommt eine kurze Abfahrt zum Walchensee, und nach zwei kürzeren Anstiegen sind wir bei Wallgau wieder an der Isar, die diesen Höhenunterschied mit einem großen Umweg nach Osten über Sylvensteinspeicher, Lenggries und Bad Tölz überwindet. Eigentlich hatte ich gedacht, dass wir hier ein gewisses Plateau erreicht hätten, auf dem wir nur bis kurz vor Innsbruck rollen müssten, aber das war ein großer Irrtum. Auf der Umgehungsstraße von Mittenwald müssen wir noch einmal eine lange Steigung überwinden, vor Scharnitz geht es noch einmal nach oben. Dort machen wir noch einmal eine kurze Pause. Kurz danach werden wir von einer Frau gebeten, ihr das Auto anzuschieben, weil ihre Batterie leer ist – sehen wir etwa so fit aus? Wir tun ihr den Gefallen.
Selbst hinter der österreichischen Grenze geht es nach oben, und diese Steigung finde ich wirklich demotivierend. Denn die Landschaft ist gleichförmig, die Straße macht kaum eine Kurve, die Autos rasen an einem vorbei, aber es ist trotzdem so steil, dass man sich nur mühsam nach oben kämpfen kann. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, monoton und trotzdem jeder einzelne Tritt anstrengend. Als Seefeld/Tirol endlich neben uns liegt, haben wir es geschafft, und es geht abwärts. Anfangs nur relativ flach, so dass man das Fahrrad laufen lassen kann; es herrscht relativ viel Verkehr, so dass wir versuchen, mit den Autos mitzuschwimmen und in der Mitte der Fahrbahn zu fahren. Dann wird die Straße immer steiler, ich erreiche als Maximalgeschwindigkeit 76 km/h, und trotzdem ist das noch nicht das maximale Gefälle. Aber jetzt werden die Autofahrer vorsichtiger, trauen sich nur noch gut vierzig Stundenkilometer zu, und wir können auch nicht schneller. Bei der ersten Notrampe halten wir an, um die Bremsen abkühlen zu lassen – ein Fahrrad hat schließlich keine Motorbremse, darum muss die gesamte Energie durch die Bremsklötze vernichtet werden. Wo ist denn Roman? Bange Minuten, bis er endlich auftaucht. Nein, es ist nichts passiert, es hatte sich lediglich seine Laufradverkleidung aus Stoff um die Hinterradnabe gewurschtelt – war zum Glück nicht kritisch.
Nach zwei weiteren Stopps zum Bremsenkühlen haben wir den Zirler Berg überwunden. Mit dem Tandem könne man wegen der Bremsen diese Abfahrt wohl nicht machen, meint Jörg – naja, eigentlich sind auf dieser Abfahrt Fahrräder generell verboten, aber nachdem es keine Ausweichroute gibt, war uns das egal. Unten bemerken wir gerade noch rechtzeitig, dass wir abbiegen müssen, um nicht auf die Autobahn zu gelangen (und heben unsere Räder über die Leitplanke), fahren dann am Innsbrucker Flughafen vorbei, wo zahlreiche Spotter mit Kameras auf startende Flugzeuge lauern, und dann neben dem Inn Richtung Innenstadt; inzwischen ist es elf Uhr. Unterwegs hat Martin eine Reifenpanne, die er aber schnell behebt.
Kurz darauf befinden wir uns bereits auf dem ersten Anstieg der Brenner-Bundesstraße. Die Steigung ist erträglich, Kurve um Kurve arbeiten wir uns nach oben. Um halb eins befinden wir uns in Matrei, wo wir uns in einem Supermarkt mit Getränken eindecken; leider geht es an der Kasse extrem lahm zu. Während ich draußen warte, spricht mich ein Mann an, der ebenfalls Liegeradfahrer ist – er erzählt, dass er eine Heckhutze aus Fallschirmseide gebaut hat, die sich durch den Fahrtwind aufbläst und dann für eine bessere Aerodynamik sorgt.
Hinter Matrei geht es erst einmal ziemlich eben dahin, wir befinden uns ein ganzes Stück über dem Talboden. Hinter Gries ist dann Schluss mit lustig, es folgt der letzte Anstieg, der uns hinauf auf das Niveau der Autobahn (die bisher immer hoch über dem Tal verlaufen ist) bringt. Erster Gang, Zähne zusammenbeißen, dann ist es geschafft. Zwei Uhr nachmittags, Brenner. Wir halten uns nicht lange auf, sondern starten gleich die Abfahrt, aber es beginnt zu regnen, so dass wir uns in Colle Isarco einige Minuten unterstellen müssen.
Weiter geht es durch Sterzing, dann liegt die erste große Abfahrt hinter uns, und es geht eben dahin. Kurz vor Brixen fängt es wieder zu regnen an, und es wird immer stärker. Wir entschließen uns, uns in einem Bushäuschen unterzustellen, in dem schon einige Motorradfahrer warten. Rund eine Stunde stehen wir da herum und können nichts tun – nördlich von uns ist blauer Himmel zu erkennen, aber das Gewitter scheint sich nicht zu bewegen, es hat sich hier festgesetzt. Als der Regen zumindest schwächer geworden ist und nicht mehr ganz so viel Wasser auf der Straße steht, machen wir uns wieder auf den Weg. Weil das Rad im Regen stand, funktioniert mein Tacho nicht mehr, das Wasser scheint die Kontakte kurzgeschlossen zu haben. Wir fahren an Brixen vorbei, der Regen hat aufgehört, aber bereits in Klausen fängt es wieder an und wird so stark, dass wir uns bei einer Tankstelle unterstellen müssen – dieses Mal aber nicht lange.
Dann wird das Eisacktal enger, die Straße kurviger, und es geht stufenweise nach unten. Immer wieder schöne Abfahrten, aber so flach, dass man nicht bremsen muss. Verkehr ist hier auch weniger, vielleicht weil es in diesem Stück weniger Ortschaften gibt. Autobahn und Eisenbahn quetschen sich mit Brücken und Tunnels an die Talflanken, in der Mitte rauscht die Eisack, und wir rollen mittendrin immer weiter abwärts, in der Abendsonne und sogar mit etwas Rückenwind. Gegen Viertel nach Sechs sind wir in Bozen, wo wir wieder einmal eine Pause machen.
Jörg findet den Beginn des Radwegs auf Anhieb, der wirklich königlich ist, weil er für Rennradfahrer gebaut wurde und daher glatten Asphalt hat und für hohes Tempo ausgelegt ist. Aber ganz so flott kann es nicht weitergehen, weil Roman Beschwerden mit seinen Knien hat; er überlegt sich sogar, ob er bereits in Trento in den Zug steigen soll. Wir können nichts anderes tun, als auf ihn etwas Rücksicht zu nehmen, und mit gemäßigter Geschwindigkeit weiter zu fahren.
Der Weg führt meistens auf einem Damm neben der Etsch entlang, nur selten unterbrochen von querenden Straßen. So können wir bequem dahinrollen, während die Sonne langsam hinter den Bergen verschwindet. Um mir die Zeit zu vertreiben, tippe ich SMS während dem Fahren. Das Coole an Südtirol ist, dass man in der Ebene radfahren kann, aber trotzdem mitten im Gebirge ist – umgeben von hohen Bergen, aber zwischen den Weinreben entlang.
Langsam wird es dunkel, wir nähern uns Trento. Wir haben nachgeschaut: Sonnenuntergang ist theoretisch um 20:39, hier zwischen den Bergen war es deutlich früher, entsprechend ist es kurz vor neun schon recht düster. Bis nach Mori, von wo aus die Straße Richtung Gardasee abzweigt, sind es noch rund 30 km, also eine gute Stunde. (Bis zum See wollen wir eh nicht, weil es dort keine Übernachtungsmöglichkeiten geben dürfte.) Aber dann beginnt es wieder etwas zu tröpfeln, und eine Baustelle zwingt uns zu einem kleinen Umweg nach Trento hinein. Sollen wir hier schon nach einem Hotel schauen? Jörg kann sich in seinem GPS Hotels anzeigen lassen und findet ein Drei-Sterne-Hotel (anscheinend die niedrigste Kategorie in Trento) namens „Everest“ ganz in der Nähe – und da sehen wir schon das Schild hinter uns. Wir fahren hin: Sie haben ein Zimmer frei, für vier Personen 120 €. Nicht ganz unsere Preisklasse, aber wir haben es uns verdient. Wir bleiben. Nachdem wir die Räder in die Tiefgarage gestellt und uns geduscht haben (weil ich lange Zeit in Martins Windschatten gefahren bin, habe ich viel Dreck abgekriegt, ich muss zweimal einseifen, bis meine Beine sauber sind), ziehen wir los, um etwas zu essen zu bekommen. Die Hotel-Bar scheint kaum was im Angebot zu haben, darum lassen wir uns eine Pizzeria empfehlen – aber wir finden sie nicht. Weitere Restaurants gibt es angeblich Richtung Innenstadt in der Nähe des Bahnhofs, aber dort finden wir auch nichts – vielleicht hätten wir auf die andere Seite des Bahnhofs gehen müssen, aber das wäre ja noch weiter gewesen. Wir drehen um. Inzwischen hat auch der Pizza-Lieferdienst, den wir unterwegs gesehen haben, geschlossen; um zehn Uhr klappen die hier die Bürgersteige hoch (zumindest in den Außenbereichen). Und es hat angefangen zu regnen. Wir laufen zurück, inzwischen schüttet es wie aus Kübeln, rennend treffen wir im Hotel ein. In der Bar lassen wir uns ein paar Sandwiches machen, um überhaupt etwas gegessen zu haben; die Kommunikation mit der Kellnerin ist etwas schwierig, weil wir kein Italienisch können und sie weder Englisch noch Deutsch.
Wir lassen uns viel Zeit. Frühstück gibt es bis um zehn, darum bleiben wir bis halb zehn liegen. Dann wollen wir uns mit Essen vollstopfen, aber irgendwie ist der richtige Hunger noch nicht da. Dann holen wir unser Gepäck, checken aus, und holen die Räder aus der Tiefgarage. Romans Gefährt hat einen platten Hinterreifen – wie sich herausstellt, weil sich eine Speiche durch das Felgenband gebohrt hat. Aber mit Flickzeug und Isolierband ist das schnell behoben. Dann starten wir, erreichen hinter wenigen Ecken den Radweg und rollen auf ihm dahin, sogar wieder mit Rückenwind. Gemütlich. Wir haben Zeit. Bereits bei Rovereto machen wir eine ausgedehnte Pause, Tische und Bänke neben dem Radweg unter schattigen Bäumen wirken sehr einladend. Bald haben wir Mittag, aber zum Glück ist der Himmel heute ebenfalls leicht bewölkt – leider ist es aber ebenso schwül wie gestern.
Auf dem Radweg geht es weiter bis an die Grenze der Regionen Trento und Veneto – dort hört er auf, und wir müssen auf der Straße weiterfahren. Dort gibt es nicht nur lästige Autos (wenn auch der Verkehr erträglich ist), es geht auch nicht mehr streng an der Etsch entlang, sondern mehr bergauf und bergab, was speziell für den Roman nicht so optimal ist. Und, wie gesagt, wegen der Autos kann man nicht immer neben ihm fahren und ihn anschieben. Aber es klappt schon irgendwie. Zeitweise kommt Gegenwind auf, der wegen seiner kühlenden Wirkung aber eigentlich uns gar nicht unangenehm ist. Überhaupt: Auf der Brenner-Autobahn herrscht nordwärts ein dichter Stau; wir schätzen uns glücklich, uns nicht dort zu befinden, sondern abseits durch das Land radeln zu können (das hier unten aber zunehmend unattraktiv wird, z.B. mit immer mehr Hochspannungsleitungen).
Etwa auf der Höhe von Caprino Veronese kommt dann eine stärkere Steigung, bei der ich schon ziemlich herunterschalten muss, um sie bewältigen zu können. Aber mir bleiben keinerlei Reserven, auch noch dem Roman zu helfen. Jörg ist noch nicht da, aber der „Martinator“ tritt in Aktion: er fährt zu Roman und schiebt ihn einfach bergauf – und zwar in einem Tempo, bei dem ich (obwohl alleine!) nicht einmal annähernd mithalten kann. Die Steigung erweist sich als deutlich länger als vermutet, so dass ich reichlich platt oben ankomme – Martin und Roman waren bereits nach der ersten Kurve außer Sichtweite und warten oben eine ganze Weile auf uns Nachzügler.
Dann geht es zuerst eben dahin, dann immer mehr bergab; in Calmasino sehen wir zum ersten Mal den Gardasee mit seiner Halbinsel Sirmeone, dann, nach einigen Kurven, sind wir unten in Lazise. Auf der Uferstraße staut sich der Verkehr, so wie immer, wir haben Mühe, sie zu überqueren, dann rollen wir zwischen den Menschenmassen hinein in die Stadt, vorbei am Stadthafen, zu einer Pizzeria. Drei Uhr nachmittags ist es – Zeit zum Mittagessen! Und ein Eis gleich hinterher. Unsere Liegeräder nebenan sind dabei die Attraktion und permanent von Leuten umringt.
Nach dem Essen gehen wir ein Stückchen am Ufer entlang, wo es einen kleinen Strand und gegenüber eine Rasenfläche gibt. Auf jener installieren wir uns mit unseren Rädern, legen uns hin, gehen baden usw. Und wieder einmal sind unsere Räder die Attraktion, andauernd bleiben Leute stehen und starren sie an. Italiener sind eben Rennradfahrer, von Liegerädern haben sie scheinbar noch nie etwas gehört.
Langsam zieht sich von Norden der Himmel zu – ein Gewitter im Laufe des Abends ist nicht ausgeschlossen. Kurz vor acht Uhr brechen wir auf und radeln nach Verona. Anfangs geht es flach bergauf, dann mehr oder weniger eben dahin – obwohl viel Verkehr ist, fahren die Italiener sehr anständig, sie überholen langsam und mit großzügigem Abstand. Nach einer knappen Stunde sind wir am Bahnhof in Verona, wo wir uns erstmal Tickets kaufen. Seltsamerweise ist eines der Tickets deutlich teurer als die anderen – aber wir können nicht nachfragen, direkt nach uns geht der Rolladen runter, wir waren die letzten Kunden am Schalter. Und nun? Wenn wir schon einmal hier sind, können wir auch noch in die Innenstadt fahren, statt die letzten paar Stunden am Bahnhof abzuhängen. Vorbei am Stadttor „Porta Nuova“, nach dem der Bahnhof benannt ist, geht es über eine lange breite Straße direkt bis ins Zentrum, wo sich hinter einem großen Torbogen der zentrale Platz mit der historischen Arena befindet. Außen herum reiht sich eine Pizzeria an die nächste, wir dekorieren unsere Räder neben einen der Tische und nehmen Platz – stets umringt von Leuten, die unsere Gefährte bestaunen. Leider findet der Kellner das nicht so toll und fordert uns auf, unsere Fahrräder wo anders abzustellen; dazu haben wir aber keine Lust, weil uns das Absperren zu umständlich ist, gerade wenn man das ganze Gepäck entfernen muss. Also verziehen wir uns und finden in einer Seitenstraße eine Pizzeria, in der wir die Räder nebenan stehen lassen können.
Nach dem Essen geht es noch einmal zurück auf den Hauptplatz vor die Oper, wir machen ein paar Fotos, stets umringt von Leuten (die uns immer wieder fotografieren). Ein Italiener spricht mich an; leider verstehe ich nicht so ganz, was er meint, aber anscheinend hat er uns bereits auf der Hinfahrt bei Bussolengo gesehen, er sei mit einem weißen Opel unterwegs gewesen. Zu weiteren Gesprächen kommt es aber nicht, weil es am Himmel rundum zunehmend häufig blitzt. Es ist zwar noch eine laue Sommernacht, Donner ist noch keiner zu hören, aber als vereinzelte Regentropfen zu spüren sind, drängt Jörg zum Aufbruch. In hohem Tempo fahren wir zurück zum Bahnhof; wieder ziehen wir alle Aufmerksamkeit auf uns, aus einem Bus winken uns Jugendliche zu.
Als wir dann die Fahrräder von der Unterführung auf den Bahnsteig hochtragen, schüttet es bereits in Strömen – Das war ein Timing! Bis zur Abfahrt des Zuges ist noch eine gute Stunde, aber diese Zeit geht schnell vorbei, wir reden mit anderen wartenden Radfahrern und schauen nach, wo der Gepäckwagen halten wird.
Als der Zug kommt, bilden wir zwei Gruppen; Jörg und Martin laden die Räder ein, während Roman und ich Sitzplätze reservieren. Natürlich sind alle Abteile schon besetzt, viele Leute schlafen (es ist Viertel vor Eins), manche haben sich hinter zugezogenen Vorhängen verschanzt. Wo ich erkennen kann, dass noch etwas frei sein dürfte, öffne ich die Abteiltür, schiebe ich den Vorhang weg und frage nach – so haben wir nach kurzer Zeit vier Plätze in zwei Abteilen. Und los geht es, durch die Nacht Richtung Heimat. Schlafen kann man in so einem voll besetzten Abteil nicht so toll, aber das wird besser, nachdem unterwegs Leute aussteigen.
Jörg weckt mich, als sich der Zug kurz vor dem Hauptbahnhof München befindet. Wir begeben uns gemeinsam ins Gepäckabteil, sperren die Fahrräder auf, und laden sie gemeinsam aus. Dann trennen sich unsere Wege, zuerst biegt Roman ab, dann Martin. Ich fahre noch mit zu Jörg, weil ich noch Gepäck bei ihm habe. Wir werden bereits von seiner Freundin Gaby erwartet und sitzen dann gemeinsam zum Frühstück auf der Dachterrasse. Wie am Freitag abend. Dazwischen waren wir mal eben in Italien. Krass.