von und mit Christoph, Michael, Roman und Basti
Als
um Viertel vor Früh mein Wecker klingelt, bin ich zwar noch reichlich verschlafen,
aber erinnere mich düster, dass wir heute wieder einmal zum Segeln nach
Kroatien fahren. Diesmal wollen wir von Pula in einem Rutsch nach Dubrovnik
segeln, von wo aus Christoph, Michael und Roman mit dem Flugzeug heimfliegen
und ich mit meinen Eltern und Betty nach Pula zurücksegle. Ich trinke schnell
einen Kaffee, verabschiede mich von meinen Eltern und fahre los. Zuerst gehts
nach Zorneding, wo ich um halb fünf Michael abhole. Eine halbe Stunde danach
gabeln wir Christoph und Roman in Ebersberg auf und fahren Richtung Autobahn
- diesmal über die Bauerndörfer Richtung Inntal; kurz vor Rosenheim
geht die Sonne auf, wenig später sind wir schon auf der Autobahn. Hier
ist schon recht dichter Verkehr und es wird recht schnell gefahren. Auffallend
viele tiefergelegte VWs hoppeln an uns vorbei, sie sind wohl auf dem Weg zum
VW-Treffen am Wörthersee. Das Wetter ist wunderschön, der Himmel blau,
und bei Reichenhall sorgen die Nebelbänke, die unten im Tal neben der Straße
zu sehen sind, für eine faszinierende Morgenstimmung. Gegen sieben Uhr
sind wir im Salzachtal bei Pass Lueg, wo der Fluss die nördlichen Kalkalpen
durchbricht und die Autobahn spektakulär durch zwei senkrechte Felswände
tunnelt. Dahinter zieht es etwas zu, die Burg Hohenwerfen ist in Wolken, und
im Radio berichten sie gerade von der Erstbesteigung des Mount Everest, die
vor genau 50 Jahren war. Bis kurz vor Radstadt kommen wir störungsfrei
voran, doch in den Verkehrsnachrichten ist schon von einigen Kilometern Stau
und Blockabfertigung vor dem Tauerntunnel zu hören. Wir überlegen
uns, was wir machen wollen, aber die Entscheidung wird uns abgenommen, denn
kurz vor der Ausfahrt Radstadt taucht bereits das Stauende auf. Wir flüchten
also auf die Bundesstraße und fahren in die Tauern hoch. Hier ist kaum
Verkehr, bei Obertauern kommt die Sonne hinter den Wolken heraus und wir cruisen
durch die herrliche Bergwelt - jetzt fängt der Urlaub an! Nach dem Katschbergpass
fahren wir auf die A10, und machen kurz darauf unsere erste Pause auf einem
Autobahnparkplatz, auf dem zeitgleich eine Gruppe Motorradfreaks mit ihren hochgezüchteten
Geräten einfällt. Dann geht es zügig weiter bis nach Villach
Warmbad (nur an einem Tunnel
mit
Baustelle ist der Verkehr kurz zähflüssig), denn das Geld für
den Karawankentunnel sparen wir uns, zumal man oft an der Grenz- oder Mautstation
etwas warten muss und so auch nicht schneller vorankommt. Oben am Wurzenpass
löst mich Michael am Steuer ab (wodurch wir auch endlich unseren stark
rußenden Vordermann los sind) und fährt über Ljubliana bis an
die slowenisch/kroatische Grenze. Endlich kommen wir zwei Stunden später
ziemlich zerknautscht und müde in Pula an. In der Stadt ist leider wieder
einmal der übliche Verkehrswahnsinn. Wir tanken noch, ich wechsle Geld
und lasse beim Hafenkapitän die Crewliste abstempeln. Um 14 Uhr kommen
wir endlich beim Schiff an. Jetzt geht die Arbeit richtig los: Wir entfernen
die Persenning, waschen den ganzen angewehten Dreck vom Deck und räumen
unser Gepäck in die Schapps. Dann gehen Christoph und Michael einkaufen.
Als nächstes winschen wir Christoph in den Mast, damit er die ganzen Splinte
und Terminals überprüft und die Fallscheiben mit Marine Spray einsprüht.
Am Schluss, wir sind alle schon recht porös, werden noch die Segel angeschlagen,
Christoph tauscht die Heckleinen aus, wir tanken Wasser auf, und zeigen Roman
- er ist das erste Mal segeln - noch einige Knoten. Dann ist die Arbeit endlich
geschafft, wir duschen uns, die Sonne geht langsam unter (endlich ist es nicht
mehr so heiß), und wir machen uns gegen halb sieben auf den Weg in die
Pizzeria. Abends bekommt Roman noch eine Einweisung in die Rettungsmittel, den
Diesel und in die Benutzung der Toiletten, dann ratschen wir noch eine halbe
Stunde und werfen uns in die Kojen.
Der Spruch des Tages: "Andere zeigen ihre Briefmarkensammlung - Basti zeigt seinen Motor und seine Einspritzpumpe."
Gleich nachdem ich aufwache, gehe ich zum Marinageschäft einkaufen -
wir brauchen noch Brot, Butter und ein wenig Wurst für das Frühstück
- und nehme auf dem Rückweg gleich noch den Wetterbericht mit. Wieder am
Schiff angelangt, hat schon jemand das Frühstück vorbereitet und wir
genießen das frische Brot. Dann sind wir auch schon fertig zum Auslaufen,
nachdem ich noch den Loggeber eingesteckt habe. Aber als wir kurz nach neun
langsam zur Tankstelle dieseln, zeigt das Gerät immer nur 0.00 kn
an. Da muss irgendetwas faul sein. Natürlich liegt dann auch noch ein fettes
Motorboot an der Tankstelle und wir ziehen fast eine Stunde untätig Kreise
- zusammen mit u.a. der angeberischen Österreicher-Crew in orangenen T-Shirts,
die wir schon gestern abend in der Pizzeria gesehen haben. Na
ja, ganz untätig nicht, denn ich baue derweilen fünfmal den Loggeber
ein und aus, jedesmal spritzt ein Strahl Wasser ins Schiff und ich breche mir
fast mein Kreuz ab, weil ich mich zwischen Maststütze und Schott falten
muss. Irgendwann sind wir dann doch an der Reihe, tanken wahnsinnige 40 Liter
- das MoBo hat wohl 4000 Liter getankt - kaufen noch Motoröl und laufen
endlich aus. Dann werden die Segel gesetzt, der Motor verblubbert und der obligatorische
Opferschluck kreist im Cockpit. Bei frischem NO Wind geht es gerefft (Reff 2)
die ersten Meilen nach Südosten, aber schon bald (11:15) erreichen wir
den Leuchtturm Porer und können ausreffen. So macht Segeln Spaß!
Christoph legt sich in die Koje und ich bringe Roman das Steuern bei. Leider
wird der Wind konstant weniger, dafür die Sonne immer heißer. Die
Gewitterwolke, die sich inzwischen hinter uns aufgebaut hat, fällt in der
Hitze schnell wieder zusammen. Nur noch vereinzelte Cirren und Cumuli sind am
Himmel zu sehen, die entfernten Inseln sind jedoch im Dunst nur schlecht zu
sehen. Der Wind wird zunehmend schwächer, auch mit Topgenua geht bald nichts
mehr. Während wir genervt mit flappenden Segeln in die Restdünung
motoren, werden wir ziemlich gegrillt. Langsam ziehen wir an Unije vorbei, und
Michael erzählt, dass hier angeblich Bienen nachgezüchtet werden,
weil dieses Jahr die deutschen Populationen durch eine Milbenplage fast ausgerottet
wurden. Überhaupt gibt es dieses Jahr recht wenige Insekten, speziell Fliegen
und Mücken; hier in Kroatien scheint es anders zu sein, denn Schmetterlinge
von den Inseln fliegen über unser Boot. Gegen halb drei setzt sich endlich
der Seewind durch, wir können die Maschine abstellen, und segeln in Schmetterlingskonfiguration
(gehalten durch Spibaum bzw. Bullenstander) dahin. Leider rührt sich auf
dem Vorwindkurs auch kein Lüftchen im Cockpit.
Bis auf den Rudergänger - mit nassem Handtuch über dem Kopf - verzieht
sich die Crew in den Schatten. Gottseidank nimmt der Wind bald etwas zu, so
dass wir flott vorankommen und vor dem Wind kreuzen können, was auch für
etwas mehr Frischluft im Cockpit sorgt. Wir passieren Susak, Mali Lošinj
und Ilovik. Als es langsam dämmert, räumen wir die Topgenua auf, mit
diesem Riesenfetzen will ich nachts nicht segeln. Dann setzen wir noch den Radarreflektor
und segeln langsam in die Dämmerung hinein. Die Inseln verschwinden im
Dunst, die Sonne geht unter, eine tolle Stimmung. Da über dem Festland
bei Zadar am Nachmittag immer mehr Gewitterpilze gewachsen sind, die jetzt langsam
zerfasern und nach Westen ziehen, halten wir ein wenig südlicher, bald
sehen wir die Inseln Premuda und Molat nicht mehr. So wird auch in der Nacht
die Navigation einfacher, wir wollen einfach ungefähr 7 Seemeilen seewärts
von Dugi Otok und Kornat nach Südosten segeln und brauchen uns nicht um
Untiefen zu kümmern. Michael hat inzwischen Nudeln mit Soße gekocht,
die ganz vorzüglich schmecken. Nur Roman hat keinen so großen Appetit,
er ist die Schiffsbewegungen noch nicht so gewöhnt. Da es inzwischen dunkel
ist, legen wir Schwimmwesten an und picken unsere Lifelines ein. Leider wird
der Wind immer weniger, auch ist vom Landwind noch nichts zu spüren. So
dieseln wir gemütlich weiter. Christoph und Roman legen sich in die Kojen,
ich übernehme die erste Wache zusammen mit Michael. Alle Stunde schreiben
wir Logbuch und zeichnen die Position in die Seekarte ein, sonst sitzen wir
im Cockpit und ratschen leise.
Der Spruch des Tages: "Nur eine untergegangene Sonne ist eine gute Sonne."
Pünktlich um Mitternacht wecken wir Roman und Christoph, mittlerweile
ist es fast sternenklar, aber immer noch windstill. Das einzige Geräusch
neben dem sonoren Brummen des Motors ist das Rauschen der Bugwelle. Und sie
rauscht nicht nur, sondern leuchtet auch: Leuchtbakterien befinden sich im Wasser,
und lassen es dort, wo es sich bewegt, ein schwachblaues Licht aussenden. In
der Ferne ist der Lichtschein von Zadar querab, wegen dem Dunst über dem
Wasser ist nichts genaueres erkennbar, aber über uns erstrahlen Milchstraße
und Andromedanebel in voller Brillanz. Querab zieht der Confluence-Punkt an
der Küste von Dugi Otok vorbei - eigentlich wollten wir dorthin, aber mitten
in der Nacht macht das natürlich keinen Sinn. Ein Kreuzfahrtschiff, beleuchtet
wie ein Christbaum, taucht in der Ferne auf und quert zweimal unseren Weg. Nach
und nach löst sich auch der Dunst über dem Wasser auf, es wird langsam
kalt (Zeit für Pulli und lange Hose), in der Ferne tauchen die Leuchtfeuer
von Veli Rat und dem Leuchtturm in den Kornaten auf, und um zwei Uhr taucht
dann plötzlich eine ganze Lichterkette an der Kimm auf. Angestrengt starren
wir durchs Fernglas, aber wir können keine Positionslichter erkennen. Kein
Wunder, denn die Arbeitslichter auf den Fischerbooten überstrahlen alles.
Einigermaßen verwirrt von den sich bewegenden Lichtern, es werden immer
mehr und die Abstände sind sehr schwer abzuschätzen, ändern wir
unseren Kurs ein wenig Richtung Osten. Um drei Uhr ist die Telašćica-Bucht
querab, Michael wird geweckt, und Roman und Christoph dürfen endlich schlafen
gehen. Sobald es dämmert, wollen wir in die Kornaten einfädeln, ich
hoffe hier etwas Wind zu finden. Um halb fünf Uhr früh tuckern wir dann
langsam zwischen Piškera und Lavsa durch, die Crew wird langsam wach, das
Boot gleitet über das glatte, bleigraue Wasser, ein wunderschöner
Sonnenaufgang steht bevor. Hier in den Kornaten ist eine seltsame Stimmung:
Wir sind das einzige Schiff auf dem Wasser und, weil mit dem Tagesanbruch auch
etwas Wind aufgekommen ist, segeln wir mittlerweile wieder langsam zwischen
den bizarren Inseln hindurch. Auf dem Wasser taucht der erste goldene Lichtschein
auf, kurz danach geht über der Insel Kornat die Sonne auf, die irgendwie
seltsam angefressen aussieht. Nach einigem Rätseln fällt Christoph
ein, dass es heute eine partielle Sonnenfinsternis gibt! Als dann die frischen
Semmeln zum Frühstück duften, wird es ganz schnell leer hier im Cockpit.
Aber die Meute lässt mir gottseidank doch was übrig. An der Nordspitze
von Žirje schläft uns dann der Wind wieder ein, die Sonne brennt und
Christoph und Michael
leiden am Steuer. Ich versuche derweil, etwas Schlaf nachzuholen. Gegen elf
Uhr dreht der Wind auf SE, wir können den Diesel abstellen. Die nächsten
Stunden quälen wir uns langsam nach Süden, immer auf der Flucht vor
der Sonne, die zum Evil Day Star mutiert. Zeitweise setzen wir sogar die Topgenua,
aber der Wind bleibt unbeständig. Dafür wird die Sicht beständig
schlechter und als wir nachmittags Drvenik passieren, sehen wir kaum noch etwas.
Langsam kreuzen wir nach Hvar, das wir nur als Punkt auf dem GPS sehen. Endlich,
einige Stunden später, taucht langsam Kap Pelegrin im Dunst auf. Die Sicht
hat kaum mehr zwei Meilen betragen. Um 20:15 machen wir schließlich in
der Marina Palmižana fest, wo wir uns duschen und dann auf die Nudeln stürzen,
die wir gekocht haben. Am Abend machen wir nicht mehr viel, wir sind einigermaßen
müde und gehen recht schnell schlafen. Mit 170 Seemeilen haben wir zwei
Drittel der Strecke nach Dubrovnik gleich mit einem Schlag geschafft!
Der Spruch des Tages: "Das ist die PSA - persönliche Schutzausrüstung." - "Ich nenne es EDP - Evil Daystar Protection."
Nach dem Frühstück machen wir zuerst einen kleinen Spaziergang auf
Sv. Klement. Wie überall auf den kroatischen Inseln führen Wege, teils
betoniert und teils nur geschottert, kreuz und quer durch die Gegend, und an
jeder Ecke steht ein Schild, das die Segler in irgend eine Konoba lockt. Von
der einen Seite der Bucht, wo ein altes Ruderboot im Gras vor sich hingammelt,
geht ein reichlich baufälliger Betonweg in den Pinienwald hinauf und von
dort aus auf die andere Seite der Insel. Dort stehen einige Häuser verstreut,
umgeben von Gartenanlagen mit exotischen Blumen und Kakteen. Gemütlich
laufen wir der Jugendgruppe, die vorhin mit einem Taxiboot angekommen ist, hinterher,
bis in die Bucht Vinogradišće. Dort machen sie sich am Sandstrand
breit und stürzen sich dann ins Wasser (die meisten mit T-Shirt...); wir
schlendern wieder langsam zurück und machen das Schiff fertig zum Ablegen.
Weiter draußen kämpft jemand auf seinem Schiff mit einer manuellen
Ankerwinde - was für ein Glück, das bei uns so etwas motorgetrieben
geht. Um 10:15 laufen wir aus, unser erstes Ziel wird heute die Stadt Hvar sein.
Wir hätten natürlich auch gestern abend den Shuttleboot Service von
der Marina nutzen können, aber da waren wir alle viel zu müde und
hungrig, und angesichts von 40 Kn pro Person für das Taxiboot ist
es für uns heute attraktiver, gleich mit dem eigenen Schiff rüberzufahren.
An
Hvar vorbeizufahren wäre eine Sünde gewesen! Als wir eine halbe Stunde
später einlaufen, sind noch viele Liegeplätze mit Muring an Kai frei.
Dort legen wir neben zwei Superyachten an und kommen uns recht winzig vor. Nach
kurzem Verhandeln mit dem Hafenmeister, dürfen wir sogar zwei Stunden kostenlos
liegen bleiben. Wirkt nett hier - der Kai geht in eine breite Uferpromenade
über, mit Palmen und Sitzbänken darunter. Also nichts wie los, wir
machen erst einen Stadtrundgang und laufen dann zur Festung den Berg hinauf.
Treppen führen zwischen den Häusern nach oben, wie üblich sabotieren
kreuz und quer gespannte Stromleitungen und Lampen jeden Versuch, zwischen den
Häusern nach unten zu fotografieren, bis wir schließlich oberhalb
der Häuser angekommen sind. Ab hier führt der Weg durch eine parkartige
Anlage, locker mit Pinien durchsetzt, in der es in der Mittagshitze nach Maggikraut
und anderen Gewürzen riecht. Ein flach ansteigender geteerter Weg (durchaus
Fahrrad-geeignet!) führt uns nach oben, durch ein Tor durchqueren wir eine
lange Mauer, die den Berg hinauf zur Festung läuft. Die Aussicht wird immer
besser, der Hafen scheint direkt vor unseren Füßen zu liegen, und
dann sind wir auch schon oben. Der Kassen-Mensch hat sich mit seinem Tisch unter
einen Baum in den Schatten verzogen, der Eintritt kostet nur ein paar Kuna.
Die Festung wurde echt kroatisch zum Museum umgebaut. Sehr feinfühlig sind
eine Disko und drei Restaurants integriert, die eigentlichen Austellungsräume
(ein
einziger) kommen seit Jahren immer mehr runter und werden nicht gepflegt. Aber
die Aussicht ist nicht schlecht, und man kann wunderschön auf den Mauern
herumlaufen. Nach einer Weile brechen wir wieder auf und gehen in den Hafen
zurück. Eigenlich wollen wir noch ein Eis essen, aber irgendwie finden
wir keine Eisdiele, die uns gefällt. Supermarkt ist auch keiner zu finden.
Als Alternative kaufe ich dann beim Bäcker noch eine Menge Salz-Käse-Stangen,
die wir auf einer Parkbank am Kai essen. Jener hat sich inzwischen mit Menschen
gefüllt, die auf die Ankunft der Fähre warten - unter ihnen auch eine
ganze Gruppe von Bikern mit Oldtimer-Motorrädern, die stilecht mit Lederkappen
und Fliegerbrillen angetuckert kommen. Etwas später laufen wir aus, denn
unsere zwei Stunden sind abgelaufen. Mittlerweile spürt man auch schon
den Nachmittagswind und schnell sind die Segel gesetzt. Dumm nur, dass die Sonne
exakt hinter dem Verklicker steht und dem Steuermann wie ein Todesstern erscheint.
Wir kreuzen bei schönen 14 kn Wind mit viel Fahrt und Lage nach Vela
Luka auf Korčula. Eigentlich wollte Christoph noch den Confluence Punkt
zwischen Vis und Biševo besuchen, aber ich entscheide mich trotzdem für
Vela Luka, weil ich nicht fast 20 Meilen verschenken will. Zumal die Windaussichten
für die nächsten Tage eher trübe sind. Bald ist Zeit für
einen Cappuccino und während ich am Ruder stehe und mir die größten
Wellen heraussuche, ist meine liebe Crew damit beschäftigt, die Tassen
auf dem Tisch festzuhalten. Aus Rache versuchen sie dann, mich mit einem Gemisch
aus viel Rum und wenig Cappuccino zu vergiften, was aber nicht gelingt. Ich
kann einen Teil der Mische unbeobachtet über die Reling kippen. Dann übernimmt
Michael das Ruder und ich setze mich mit Roman nach Lee und
lasse
das Wasser mit 7 kn an den Füßen vorbeizischen. Um halb fünf
runden wir Kap Prožid, endlich können wir abfallen und lassen es die
letzten Meilen in die Bucht von Vela Luka richtig krachen. In Vela Luka angekommen,
fängt dann die große Liegeplatzsuche an. Von dem versprochenen Hafenausbau
im Revierführer ist nichts zu sehen, an den freien Stellen am Kai ist nur
ein Meter Wasser. An dem Touristendampfer will ich nicht längs gehen, dann
hätte ich den Auspuff seines Generators im Cockpit. An der kleinen Elan
lässt mich der Skipper nicht anlegen. Der letzte Liegeplatz ist zwei Meter
zu kurz. Dann also römisch-katholisch mit Buganker und Heckleine zum Kai.
Doch scheinbar haben die Einheimischen den Meeresgrund glattbetoniert, der Anker
hält auch nach mehreren Versuchen überhaupt nicht. Ich kriege langsam
einen dicken Hals, meine Crew grinst, als wir dann doch noch einen Platz finden:
Wir gehen längs an ein Zweierpäckchen aus großen Charterbooten.
Unser direkter Nachbar ist zwar nicht da, aber der übernächste meint,
es wäre kein Problem. Froh gehe ich dann gleich eine Flasche Wein kaufen,
um sie unserem Nachbar ins Cockpit zu stellen, falls er sich aufregt. Doch die
Leute, es sind Belgier, sind sehr nett und so behalten wir den Wein für
spätere Anwendungen. Abends machen wir noch einen kleinen Spaziergang,
aber wir müssen feststellen, dass in Vela Luka gar nichts los ist. Also
gehen wir bald ins Bett.
Der Spruch des Tages: "Ich gehe in die Torpedokammer. Eigentlich ist der Name sehr passend, denn auch hier wird etwas mit Druck ausgestoßen."
Bereits um 9:15 laufen wir aus, denn auch unsere Nachbarn im Päckchen
wollen ablegen. Leider hat sich über Nacht der Himmel bewölkt und
aus dem Einheitsgrau nieselt es manchmal ganz leicht. Passend dazu weht kein
Wind, als wir aus der großen Bucht dieseln. Eine knappe Stunde brauchen
wir, bis wir draußen am Kap Prožid sind; dort weht dann doch ein
leichter Hauch aus Südosten. Etwas müde sitzen wir herum, essen Kekse
oder schlafen, während wir langsam durch das Grau kreuzen. Den Confluence
Punkt zwischen Korčula und Pelješac wollen wir natürlich mitnehmen.
Und weil gerade ein so schöner gleichmäßiger Wind ist, wollen
wir den Punkt unter Segeln erreichen. Langsam macht sich der Düseneffekt
bemerkbar, als wir uns der Durchfahrt nähern. Diese ist nur etwa eine Meile
breit und auf beiden Seiten flankiert von fast 1000 m
hohen, schroffen, steil abfallenden Bergen. Zusammen mit den düsteren Wolken,
den ersten Sonnenstrahlen und dem mittlerweile frischen Wind kommt eine unheimliche
Stimmung auf. Wir sind das einzige Boot, das segelt; wir ziehen das Reff 1 ins
Groß ein und pirschen uns kreuzend heran. Christoph hüpft immer nervöser
im Cockpit umher, kontrolliert die GPS-Geräte (die alle 43N 17E als Waypoint
eingestellt haben), die Karte und den Kurs. Dazwischen schießt er hektisch
seine Beweisphotos. Je näher wir kommen, desto kürzer werden die Kreuzschläge;
ich tue mein Bestes am Ruder und so treffen wir den Schnittpunkt des 43 Breitengrades
mit dem 17 Längengrad auf 3 m genau. Wir machen auch noch ein Gruppenphoto
mit Selbstauslöser! Kreuzend geht es weiter durch den Pelješki Kanal,
wir können die Halbinsel von Korčula
Stadt
schon erkennen. Die Sonne kommt jetzt immer mehr hinter den Wolken hervor, der
Wind nimmt ein wenig ab, so dass wir ausreffen können und so segeln wir
gemächlich auch die letzten Meilen. Um die Kreuzschläge möglichst
groß zu machen, fahren wir ganz dicht an die Küste mit ihren beeindruckenden
Bergflanken heran; die Berge in der Entfernung liegen inzwischen auch in der
Sonne und erscheinen im Dunst scherenschnittartig in verschiedenen Graublautönen
hintereinander. Am Ufer von Pelješac beobachten wir einen Lenkdrachenflieger,
der sein knallrotes Flugobjekt vor den Bergen tanzen lässt, bald darauf
ist
Korčula querab, und gegen 17:00 machen wir in der ACI Marina fest. Hier
sind die Abstände zwischen den Stegen besonders eng, so dass der Anleger
ziemlich genau gefahren werden muss. Mehr als einen Versuch hat man hier meistens
nicht, dann hängt man garantiert in irgendeiner Muring fest. Doch unser
Anleger klappt super und so können wir uns im Cockpit zurücklehnen
und das Hafenkino noch ein wenig genießen. Als wir uns geduscht haben,
machen wir einen Stadtrundgang. Korčula ist auf einer Halbinsel gelegen,
die Altstadt und die Stadtmauer sind fast komplett erhalten. Die vielen kleinen
Gassen und die malerischen Ecken gefallen uns. Hier soll auch Marco Polo geboren
sein, jedenfalls behaupten das die Einheimischen. Zurück am Schiff kochen
wir wieder ein Nudelgericht und lassen es uns gutgehen. Später, es ist
schon dunkel, machen wir uns wieder auf in die Stadt. Nachdem wir ein Eis gegessen
haben, gehen wir zur Forteca, einem alten Turm am Hang über der Altstadt.
Angekommen, stören wir ein Pärchen beim Schmusen im Auto und als Christoph
wenig dezent auch noch mit der Stirnlampe in ihr Auto leuchtet, verschwinden
sie. In den alten Festungsturm ist leider modernste Technik eingezogen, die
Kroaten haben einen oder mehrere Mobilfunksender eingebaut, überall brummt
und rauscht die Elektronik.....Dann gehen wir ans Boot zurück und fallen
müde in die Kojen.
Der Spruch des Tages: "Rent a car - rent a boat - rent a bike - rent a bunny."
Als wir gegen 8:30 aufstehen, bewegt sich kein Lüftchen, das Wasser ist
spiegelglatt. Die Sonne knallt aufs Deck, uns wird schnell unangenehm warm.
Also laufen wir zeitig nach dem Frühstück aus und motoren ein paar
Meilen bis zwischen Badjia und Planjak, wo wir vor einem alten Kloster, das
mittlerweile ein Hotel und ein Restaurant beherbergt, auf 6 m Wassertiefe
ankern. Nach ausgiebigem Geplansche setzen wir uns hin, ratschen und trinken
einen Cappuccino. Roman ist derweil kaum vom Fernglas zu trennen, denn in einiger
Entfernung paddeln die Hotelgäste mit Plastikkajaks vorbei. Aber als eines,
beladen mit Mädchen unter wildem Gekreische kentert, hält Roman wenig
von unserer Idee, er solle doch hinüberschwimmen und sie auf unser Schiff
retten. Als wir dann gegen ein Uhr den Anker lichten, versuchen wir zuerst den
Windhauch auszusegeln, aber sogar unter Toppgenua geht bald nichts mehr. So bleibt
uns nichts anderes übrig, als die eiserne Genua zu starten. Um 16 Uhr erreichen
wir schließlich Pomena auf Mljet, das sich als Retortendorf und Hotelsiedlung
herausstellt. Polače, ein paar Buchten weiter, wäre ein richtiges
gewachsenes Dorf - allerdings ist es von Pomena aus näher zum Nationalpark,
und da wir sowieso schon hier sind, bleiben wir. Mangels Muringleinen müssen
wir den Buganker bemühen, der sich beim ersten Versuch in dem Kraut auf
dem Meeresboden verfängt und slippt; aber beim zweiten Versuch treffen
wir eine Sandfläche, wo das Ding hält. Die Heckleinen sind dann auch
schnell ausgebracht - unter Mithilfe des wunderschönen Hafenmeisters (braungebrannt
mit dunklen langen Haaren und Muskelshirt, das zu erkennen gibt, was für
ein Adoniskörper darunter steckt), der sicher der Traum aller weiblichen
Segler ist. Wir schauen uns erstmal etwas um: Viel ist hier nicht los, aber
die Anlage wirkt gepflegt, es gibt eine Anlegestelle für das Tragflächenboot,
daneben eine abgesperrte Schwimmzone, und ein Stapel Surfbretter und Jollen
vom Typ "Laser" warten auf ihre Benutzung. Inzwischen ist es halb
sechs, und wir machen uns auf den Weg in den Nationalpark. Der Eingang mit dem
Kassenhäuschen befindet sich gerade einmal hundert Meter hinter dem Hotel;
der Eintritt kostet pro Person 42 Kn, mit Studentenausweis ist es für
uns um ein Drittel billiger.
Der Weg führt zuerst ein Stück flach bergauf, dann wieder flach nach
unten zum See. Nach 15 Minuten erreichen wir den Mali Jezero, der mit einem
kleinen Kanal (überbrückt von einer idyllischen Steinbogenbrücke)
mit dem Veli Jezero verbunden ist. In diesem Kanal, es steht eine kräftige
Strömung darin, baden wir ein wenig (lassen uns dabei natürlich mehrmals
durch den Kanal treiben) und warten dann auf unser Taxiboot, das uns zur Insel
Sveti Marije bringen soll. Das etwas übermotorisierte Schiffchen kommt
pünktlich, lädt die letzten Besucher aus, und nimmt uns an Bord. Dann
wieder Hebel auf den Tisch, wir ziehen eine kräftige Bugwelle über
den ansonsten vollkommen ruhigen See, und mit einem Zwischenstopp in Pristanište
erreichen wir nach einer kurzen Fahrt das Eiland, ein Kloster steht sehr malerisch
darauf. Leider ist hier wenig bis gar nichts los, das Kloster ist zu einem Restaurant
umgebaut und der Kellner sitzt gelangweilt herum, denn wir sind die einzigen
Touristen. Macht aber nichts; die Insel ist ganz nett, überall wachsen
faszinierende Pflanzen, zwei Kapellen sind in die Gartenanlagen eingestreut,
und der Truthahn im Käfig macht sich an seine Henne ran. Während wir
um die Insel herumlaufen und zwischen den Ruinen herumstöbern, angelt unser
Taxibootfahrer zusammen mit dem Kellner. Nach einer Stunde werden wir wieder
abgeholt, und wir bitten den Fahrer, uns in Pristanište statt in
Pomena
abzusetzen, denn von hier wollen wir nach Polače laufen. Von der hübsch
angelegten Anlegestelle aus sind es nur ein paar Schritte nach oben zur Straße,
wo zum Glück auch eine grobe Übersichtskarte der Insel hängt.
Nach Polače immer geradeaus. Das Innere der Insel ist ziemlich waldig und
erstaunlich hügelig, darum schlängelt sich die absolut perfekt geteerte
Straße an die Landschaft angepasst Richtung andere Inselseite. Wofür
die hier eine derart perfekte Straße brauchen, bleibt uns ein Rätsel
- ein Auto ist nur sehr sporadisch zu sehen. Roman träumt darum von seinem
Tieflieger, mit dem er hier perfekte Bedingungen hätte. Nach einer halben
Stunde, es dämmert bereits, erreichen wir Polače. Die Straße
führt ab hier bergab, vor uns liegt eine geschützte Ankerbucht mit
zahlreichen Schiffen, die größtenteils bereits das Topplicht eingeschaltet
haben. Drüben am Ende der Bucht befindet sich der Ort, den man durch die
Ruine eines einst mächtigen Turms erreicht; direkt dahinter ist ein kleiner
Kai, an dem auch ein paar Yachten liegen. Ähnlich wie Pomena besteht der
Ort fast nur aus Restaurants; immerhin gibt es ein paar Reste der alten Struktur,
während Pomena mit seinem modernen Hotel etwas steril wirkt. Außer
in den Gasthäusern ist hier aber absolut nichts los, so dass wir nach einer
kurzen Runde umdrehen und uns auf den Heimweg machen; dabei spinnen wir unsere
Fahrrad-Phantasien weiter und diskutieren die Machbarkeit eines Liegerad-Tandems
für vier Leute. Wir sind schon eine Weile unterwegs und nähern uns
der Abzweigung Richtung Pomena, als neben uns ein uralter Renault R4 hält.
Der junge Mann fragt uns, wo wir hinwollen, und bietet uns daraufhin an, uns
zum Schiff zu fahren. Nach etwas Zögern steigen wir ein, Christoph sitzt
vorne, Michael, Roman und ich quetschen uns mehr übereinander als nebeneinander
auf die Rückbank. Dann geht der Höllenritt los! Unser Fahrer, in einem
früheren Leben wohl Rennfahrer gewesen, jagt das Auto ohne Rücksicht
auf Verluste über die enge Landstraße. Stoßdämpfer quietschen
(wenngleich die Federwirkung nahe Null ist), das Auto knarzt, das Getriebe
kracht, als wir in Ideallinie sämtliche Kurven nehmen. Gottseidank kein
Gegenverkehr! Aber eines muss man ihm lassen: er kennt die Strecke, und weiß
genau, wann er bremsen und wie schnell er die Kurven nehmen muss (unter der
Annahme, dass niemand entgegen kommt). Zusammengekrümmt hockt er vor dem
Lenkrad, das Gesicht nah an der Scheibe (um durch dieses verstaubte Guckloch
von der mit den funzelartigen Scheinwerfern schlecht beleuchteten Straße
überhaupt etwas erkennen zu können), rührt mit dem Hebel neben
dem Lenkrad im Getriebe herum, und holt mit dem Fuß auf dem Gaspedal das
Letzte aus dem Wagen heraus. Der Übergang zwischen Fahren und Fliegen ist
fließend. Nach ein paar Minuten (die uns wie eine Ewigkeit vorkommen)
sind wir in Pomena angekommen, bedanken uns bei dem jungen Mann und laufen hysterisch
kichernd zum Schiff zurück. Schnell kochen wir noch eine Kleinigkeit aus
diversen angebrochenen Nudelpackungen, dann mache ich mit Roman noch einen kleinen
Rundgang durch die Siedlung.
Der Spruch des Tages: "Da hängt der Sextant..." "Wir haben keinen Sextant!" "......Dann nennen wir es eben Barograph!"
Um
acht Uhr, bei der Motorkontrolle, gibt es wieder eine nette Überraschung:
Die Seewasserpumpe tröpfelt schon wieder! Das ist nicht weiter beunruhigend,
aber ärgert mich trotzdem, denn den Simmerring haben wir erst vor einem
Jahr wechseln lassen. So langsam entwickle ich eine Hassliebe zu unserem Diesel!
Eine Stunde später ist das Frühstück fertig, es gibt frischgebackene
Croissants ("Knack & Back" aus der Dose - eine wirklich feine
Sache für Segeltörns), und anschließend bereiten wir das Ablegen
vor. Als wir dann bald auslaufen, lässt uns der Wind ziemlich im Stich,
wir treiben erst einmal eine Stunde vor Polače in völliger Flaute.
Langsam setzt sich dann gegen Mittag der Seewind durch und wir kreuzen vor dem
Wind zwischen Mljet und Pelješac. Die Hitze ist bei 6 kn Wind und
4 kn Fahrt unter Groß und ausgebaumter Topgenua mörderisch,
neben der Windstille im Cockpit wird die Sonne von den Segeln gleich nochmal
reflektiert. Über dem Festland steigen mittlerweile gewaltige Wolkenberge
nach oben, hin und wieder grollt es entfernt. So geht das Spielchen
weiter, richtig zulegen will der Wind nicht, es wird immer düsterer und
mir wird langsam mulmig zumute. Als der Wind um vier Uhr nachmittags einschläft,
was gar kein gutes Zeichen ist, dümpeln wir gerade querab der Südspitze
Mljet. Wir räumen vorsichtshalber die Topgenua auf, werfen den Diesel an
und bergen kurz darauf auch das Großsegel. Ab und zu grollt es im Gebirge,
aber es weht kein Windhauch. Die Zeichen deuten immer mehr auf Unwetter, dunkle
Wolken tauchen um uns herum auf, in der aufkommenden diesigen Luft bricht die
Fernsicht rapide zusammen, und die Farben der umgebenden Inseln verblassen.
Ein Hafen wäre jetzt angebracht; wir haben zumindest keine Lust auf ein
Ankermanöver im strömenden Regen. Als wir immer noch in absoluter
Flaute am Kai in Suđurat auf der Insel Šipan festmachen, tröpfelt
es ein wenig, aber dann kommt bald die Sonne wieder heraus. Wir fragen zuerst
einen Einheimischen, ob wir über Nacht
bleiben dürfen. Dann geht Roman noch kurz Milch für einen Cappuccino
kaufen und wir lassen es uns gutgehen. Bis der Regen endgültig aufgehört
hat, sitzen wir zusammen und reden über Liegeräder; dann machen wir
uns gestärkt auf zu einem Stadtrundgang. Suđurat ist ein absolut faszinierendes
Örtchen: Viele sehr alte Mauern und Gebäude, keine Hotels, kaum Autos
und sogar eine alte königliche Sommerresidenz gefallen uns sehr. Auch die
Vegetaion ist subtropisch, wir sehen viele Stechpalmen. Am Hafen sitzen ein
paar Fischer und flicken ihre Netze (wo wir uns erst nicht trauen, darüberzusteigen),
auf der anderen Seite des Hafens, wo die Straße steil den Berg hoch geht,
spielen ein paar Kinder auf der Terrasse eines Hauses mit einem Ball (und werfen
ihn regelmäßig runter), hinter der alten Festung verliert sich der
Ort langsam ins Grasland und die Straße wird so breit, dass ein Auto draufpassen
würde (in den engen Gassen: keine Chance), und eine alte bucklige Frau
steht bei ihren S
chafen.
Hinter der Festung vorbei gehen wir wieder auf die andere Talseite, arbeiten
uns zwischen den Häusern den Berg nach oben, bis wir die Straße
zur Nordseite der Insel erreichen. Die Sonne geht gerade unter, einzelne Zypressen
machen sich gut im Abendrot, und wir folgen der Straße wieder nach unten,
die in einer steilen Serpentine nach unten zum Hafen führt und dort auch
endet (darum ist dort der Parkplatz mit diversen vor sich hinrottenden Fahrzeugen).
Wieder unten beim Schiff stehen wir noch eine Weile auf dem betonierten Fähranleger
herum (bei dem der Meeresboden, wie man durch das kristallklare Wasser sehen
kann, auffallend tief ausgebaggert ist) und unterhalten uns; langsam wird es
dunkel, und die ersten Fledermäuse zeigen sich - vielleicht lenken die
die herumstreunenden Katzen ab, die sich auch bis auf unser Boot trauen. Am
Abend kochen wir unseren berühmten Reis mit Scheiß, schauen uns die
bisher geschossenen Bilder auf dem Laptop an, ratschen noch ein wenig und gehen
dann bald in die Kojen.
Der Spruch des Tages: "Wer stirbt?" Basti: "Dich!"
Als ich recht früh meinen Kopf aus der mit Katzenspuren überzogenen
Luke strecke, traue ich meinen Augen kaum, eine fette Fähre rauscht in
die Hafenbucht. Schnell wecke ich meine Crew auf: "Da kommt was fucking
Großes!!" und wir sehen fasziniert zu wie die Kiste neben uns anlegt.
Das Spektakel dauert nicht lange, Wurfleinen fliegen, zwei Leute legen zügig
und wortlos die armdicken Leinen um die Poller, schon geht die Heckluke auf,
in Windeseile sind einige LKWs und PKWs auf- und abgeladen, das Restaurant holt
sich Nachschub und einige Leute steigen um. Beim Ablegen werden wir durch das
Schraubenwasser der Fähre ein wenig durchgeschüttelt (schließlich
sieht unser Schiff mit seinem 18 m hohen Mast wie Spielzeug gegen dieses
Ungetüm aus), dann ist es wieder still und ruhig, als wäre nie etwas
geschehen.Wie ein Besuch von einem anderen Stern! Bald darauf laufen wir auch
aus, denn wir wollen zeitig in der Marina Miho Pracat sein, um dann mit dem
Bus nach Dubrovnik zu fahren. Während wir an Lopud
und Kolocep vorbeidieseln, backen wir Brötchen und frühstücken
gemütlich im Cockpit und beobachten, wie das Tragflächenboot an uns
vorbeizieht. Kurz darauf kommt es zurück - was in der Ferne wie ein winziges
Motorboot aussieht, entpuppt sich nach wenigen Minuten als ein gar nicht mehr
so kleines Gerät, das um ein Vielfaches schneller als die anderen Schiffe
ist. Weil das Ding direkt auf uns zufährt, rate ich Christoph, ein deutlich
erkennbares Ausweichmanöver zu fahren. Man kann ja nie wissen. Kurz darauf
biegen wir schon in die tief eingeschnittene Dubrovacka ein. Die Fähre
von heute morgen liegt am Kai in Gruž und sieht gegen ein monströses
Kreuzfahrtschiff genauso verloren aus wie wir am Morgen. Wahnsinn! Nachdem wir
die Hängebrücke passiert haben, dieseln wir flussaufwärts in
das enge Tal mit seinen steilen, hohen Bergen auf beiden Seiten. Diese sind
oben trostlos und kahl, aber unten im Tal ist es grün und Palmen säumen
an manchen Stellen das Ufer.
Die
geschützte Lage hat natürlich auch einen Nachteil: Die Sonne brennt
unbarmherzig herunter, kein Lufthauch regt sich. Was manche von uns dazu animiert,
sich aus Tüchern und Sonnenbrille einen Sonnenschutz zu bauen, der Darth
Vader nicht unähnlich ist. Schon bald machen wir in der Marina fest, unser
Liegeplatz ist direkt vor dem Swimming Pool. Wir freuen uns und springen gleich
hinein, denn es ist schon wieder verdammt heiß. Jetzt wird Christoph langsam
ungeduldig, es zieht ihn in die Altstadt Dubrovnik. Ich wäre ja noch gerne
im Pool geblieben, denn es ist erst elf Uhr, aber ich kann meine Crew kaum bremsen.
Dann werden wir halt in Dubrovnik gegrillt. Direkt vor der Marina ist die Bushaltestelle
und für 10 Kuna bringt uns der Bus direkt an die Stadtmauer. Leider ist
der Bus recht überfüllt und stickig, und als einige kroatische Mädels
einsteigen, sorgt das bei uns auch nicht gerade für Abkühlung. Dann
sind wir auch schon vor der Altstadt. Alles ist sauber, mit Blumen geschmückt,
und gelbweiße Fahnen kündigen den morgigen Papstbesuch an. Dubrovnik
wird "die Perle der Adria" genannt, und bereits das alleine durch
seine Größe beeindruckende Stadttor zeigt uns, dass da wirklich was
dran ist. Beginnen wollen wir unsere Besichtigung mit einem Rundgang auf der
mächtigen, vollständig erhaltenen Stadtmauer. Leider greift jetzt
die Sonne richtig an, es ist Mittag, absolute Windstille und kein Schatten.
Neben dem Stadttor geht eine endlos lange Treppe nach oben, dann sind wir auf
der mächtigen, an manchen Stellen 10 m starken Mauer. Zuerst geht
es am Meer entlang; die Mauer fällt senkrecht direkt ins Wasser ab, und
auf der gegenüber liegenden Seite können wir in die Häuser und
auf die
aufgehängte
Wäsche schauen; entsprechend liegt ein leichter Waschmittel-Geruch in der
Luft. Eben das tägliche Leben. Extra für die Touristen herausgeputzt
ist hier nichts; an manchen Stellen sehen die Hinterhöfe auch wie Sperrmüllhalden
aus. Die Mauer hat einen sehr abwechslungsreichen Verlauf, enthält Zickzack-Abschnitte,
Zinnen, und Erker mit Schießscharten (ein Mensch kann sich durch den engen
Eingangsschlitz mit Mühe hineinzwängen); außen befinden sich
gelegentlich Heiligenfiguren. Weiter hinten, beim Jesuitenkloster, ist dann
auf der den Häusern zugewandten Seite eine Straße zu sehen, die wie
eine lange, breite Treppe in flachen Stufen bergab führt, und damit diese
Gasse befahrbar ist, wurden abenteuerliche Holzrampen darübergelegt. Trotzdem
ist die Frage, wer sich traut, dort mit dem Auto zu fahren. Gegenüber befinden
sich am Fuß der Mauer ein paar Felsen, und die auf einer darauf betonierten
Terrasse stehenden Sonnenschirme sind rote Kreise auf grauem Untergrund direkt
neben dem tiefblauen Wasser. Der südöstliche Eckpunkt der Mauer wird
von einem Gebäde gebildet, das das Marine-Museum beherbergt und über
dessen Dach der Mauerweg führt; unterhalb davon befindet sich eine Mole,
wo Leute baden und sich sonnen. Ab hier geht die Mauer wieder ein Stück
zurück in die Stadt hinein und umrundet den Stadthafen, vor dem malerisch
die bunten Fischerboote festgemacht sind. Im Hafenbecken ist gerade ein Schwimmkran
aktiv, mit dem Spundwände an der Kaimauer in den Boden gerammt werden.
Auf der anderen Seite der Mauer ist eine enge Gasse, die von hier oben wie ein
dunkler enger Kanal wirkt (sie ist fast auf Meeresniveau und damit diverse Meter
tiefer als die Mauerkrone); immer wieder pfeilt ein Schwarm von Schwalben dort
durch die Häuserschluchten, zieht in letzter Sekunde unter lautem Gekreische
hoch, dicht über die Köpfe der Touristen auf der Mauer hinweg. Auf
der dem Berg zugewandten Seite steigt die Mauer langsam an, bis zu einem dicken
Turm an der anderen Ecke, den wir auch noch besteigen. Besonders von hier oben
hat man einen schönen Blick über die Stadt, und uns fallen die vielen
frisch gedeckten Dächer auf. Denn die Altstadt wurde über Monate von
serbischer Artillerie beschossen und muss massive Schäden davongetragen
haben; zum Glück ist davon praktisch nichts mehr zu sehen, bis auf einzelne
Einschläge in einigen Hinterhöfen. Auf dem Turm weht ein konstanter
Wind, Christoph fantasiert schon vom Drachen steigen lassen, aber wir alle sind
viel zu müde dafür. Etwa zwei Stunden lang haben wir uns auf der Mauer
aufgehalten, in einer Steinwüste unter der glühenden Mittagssonne.
Der Rundgang ist zu Ende; jetzt sind
wir schweißgebadet und fertig. Als wir wieder unten sind, verziehen wir
uns erstmal in die Gassen auf der Südseite der Stadt. Wir brauchen jetzt
dringend eine Abkühlung. Aber die ganze Stadt besteht aus Stein, wie aus
einem Guss gehen die Häuser nahtlos ineinander über, dazwischen befindet
sich das typisch kroatische spiegelblank polierte Straßenpflaster, das
die Hitze speichert und bis in die hintersten Ecken strahlt. Lauter Stein, kein
grünes Fleckchen, darum ist es auch im Schatten nicht wirklich kühl.
Nachdem wir eine Weile ziellos herumgeirrt sind und im Wesentlichen nur kleine
Restaurants angetroffen haben, landen wir wieder auf der großen Hauptstraße,
wo endlich eine Eisdiele ist. Jeder zieht sich eine große Waffel, die
aber auch nur kurz Abkühlung bringt. Auf der anderen Seite, wo die Gassen
den Berg hoch gehen, entdecken wir billige Imbiss-Buden; gut zu wissen, aber
momentan haben wir keinen Hunger, wir müssten uns eher mal ausruhen. Wir
schlendern weiter zur Kirche (wo ebenfalls überall Plakate den Papstbesuch
ankündigen), entdecken dann mehrere faszinierende Gassen mit geheimnisvoll
wirkenden Durchgängen, und gehen dann durch den Torbogen (wo eine der nobelsten
öffentlichen Toiletten, die wir je gesehen haben, ist - mit Edelstahl und
schwarzem
Marmor)
zum Hafen hinaus. Hinten an der Mole hocken wir uns hin und beobachten die Wahnsinnigen,
die bei dem Klima Sport treiben müssen - Wasserball mag ja noch ganz ok
sein, aber für Fußball gibt es sicher brauchbarere Orte (wo der Ball
nicht andauernd ins Wasser fällt). Dann geht es wieder zurück in die
Stadt und dort an der Mauer entlang. Eine unscheinbare Tür in der Stadtmauer,
durch die immer wieder Leute verschwinden, erweist sich als Durchgang zum Meer.
Hier sind einige Stufen in den Fels betoniert, einige Leute baden, andere sonnen
sich. Kurzentschlossen springen Roman und ich auch ins Wasser und baden direkt
vor der Stadtmauer in einer einmaligen Kulisse! Langsam wird es Abend und unsere
Mägen melden sich zunehmend. Als schwierig erweist sich die anschließende
Suche nach einem passenden Restaurant, denn wir wollen nicht zuviel Geld ausgeben,
aber ordentlich Hunger haben wir doch. Schließlich stoßen wir im
nördlichen Teil der Altstadt auf eine Gasse, mindestens
200
Meter lang, wo sich ein Restaurant ans andere reiht. Ok, dieses Problem wäre
also gelöst. Weil es noch etwas früh für das Abendessen ist,
laufen wir nochmal Richtung Osten, setzen uns dann auf die Stufen beim Dominikanerkloster,
und beobachten die Vögel, die sich in den vielen Nischen der Stadtmauer
gegenüber breitgemacht haben. Dann marschieren wir weiter durch das östliche
Stadttor, und finden ein Stück weiter einen kleinen Sandstrand mit Blick
auf die Altstadt. Auf dem Weg zurück bringt die Abendsonne die glänzenden
Platten zu einem orangenen Leuchten, und für uns ist es jetzt wirklich
Essenszeit - also zurück zur Gasse mit den vielen Restaurants! Macht man
hier den Fehler und läuft nicht schnell genug vorbei, wird man fast zum
Platznehmen genötigt. Die Entscheidung fällt uns zunehmend schwerer,
also suchen wir uns das Restaurant mit der hübschesten Kellnerin aus.
Und wir bereuen es auch nicht, das Essen ist wirklich hervorragend und nicht
teuer. Kulinarisch und optisch gestärkt, will Christoph jetzt unbedingt
auf den Berg hinter Dubrovnik steigen, um von hier aus den Sonnenuntergang zu
erleben. Westlich von der Stadtmauer laufen wir über endlose Treppen nach
oben, bis wir zur zweiten Querstraße oberhalb der Stadtmauer gelangen.
Hier ist eine kleine Terrasse, von der aus man einen schönen Blick hat.
Ein paar Kinder spielen mit einem Ball, und wir genießen die Aussicht.
Von hier aus sieht man erst, wie tief der Graben nördlich von der Stadtmauer
ist, Autos wirken dagegen wie Spielzeuge. Die heute Mittag so gleißende
Sonne löst sich gerade im Westen in orangerosa Wolken auf. Während
wir auf einer Parkbank
sitzen, gehen in der Stadt langsam die Lichter an. Auch die Stadtmauer ist mit
Lichterketten versehen, die ihre Konturen inklusive aller Zinnen nachzeichnen
- ein kitschiges, aber irgendwie doch hübsches Bild. Dann wollen Christoph
und Michael noch weiter nach oben, aber werden schon bald von der Schnellstraße
gestoppt. Ein ziemlicher Verkehr herrscht hier, und sobald sich doch einmal
eine größere Lücke auftut, kommen gleich Autos aus der im spitzen
Winkel einmündenden Zubringerstraße nach. Wir sind jetzt gerade einmal
auf halber Höhe des Bergs; kopfschüttelnd sehen wir zu, wie Christoph
auf die andere Seite sprintet und sich anschließend durchs Unterholz kämpft,
aber weit kommt er nicht. Auf der anderen Seite ist kein Weg in Richtung Gipfel
zu finden, also lassen wir es sein. Es ist eh schon fast dunkel. Was nun? Christoph
und Michael wollen die Küstenstrasse zur Marina heimlaufen und dabei die
Hochbrücke über die Dubrovacka anschauen, ich will mit Roman noch
in der Stadt bleiben. Also trennen wir uns; Michael und Christoph schalten ihre
Stirnlampen ein und trailen los (es gibt keinen Fußweg entlang der Straße,
aber der seltsame Anblick der beiden lässt die Autofahrer auf die Bremse
treten), während ich mit Roman wieder in die Altstadt gehe, wo wir uns
an einen Brunnen setzen und einer Band zuhören, die in einem Cafe jazzt.
Als wir später mit dem Bus zurückfahren, fällt uns auf,
dass in der Stadt viele Straßen gesperrt sind, überall ist Polizei,
der Busfahrer fährt einige Umwege und flucht ziemlich. Das hängt wohl
alles mit dem Papstbesuch am nächsten Tag zusammen. Mir schwant schon Böses,
denn Christoph, Michael und Roman müssen morgen Vormittag zum Flughafen
kommen! Am Schiff angekommen, es ist schon fast Mitternacht, sind wir vom Busfahren
wieder ziemlich verschwitzt. Michael und Christoph sind auch erst kurz vor uns
eingetroffen, sie haben die Aussicht auf die nächtliche Stadt mit ihrer
gelben Straßenbeleuchtung genossen, die Brücke angeschaut (erbaut
von einer Firma aus Augsburg, erst im vergangenen Jahr eröffnet), und sind
unter den teilweise sehr verwunderten Blicken der einheimischen Autofahrer bis
zur Marina marschiert. Schweißgebadet sind wir alle - also ab in den Pool!
Hier planschen wir noch eine Weile, bis einer auf die Idee kommt, Unterwasserfotos
im Pool zu machen. Flugs holt Christoph seine Kamera und fotographiert alle
möglichen und unmöglichen Sachen.
Der Spruch des Tages: "Roman braucht eine coole Sonnenbrille und eine Aufrollautomatik für die Zunge."
Nachdem wir aufgestanden sind, geht Christoph zum Einkaufen in den Supermarkt am Eingang der Marina und versucht auch gleich herauszufinden, wie man am besten zum Flughafen kommt. Denn das ist heute gar nicht so einfach: Der Papst kommt in die Stadt! Was die Bevölkerung zum Jubeln bringt, bereitet uns eher Sorgen, denn Michael, Christoph und Roman müssen ihren Flug erwischen, aber der Flughafen liegt auf der anderen Seite der Stadt. Und diese ist komplett abgeriegelt, auch der Busverkehr steht komplett still. In der Rezeption der Marina ist man auch eher ratlos und empfiehlt, sich am Taxistand gegenüber der Marina zu erkundigen. Dummerweise ist weit und breit kein Taxi zu sehen; nur jede Menge Busse, die hier vor der Marina und an der Straße entlang stehen, und deren Fahrer im Schatten zusammensitzen und ratschen. Wir haben schon überlegt, mit dem Schiff nach Cavtat zu dieseln, aber das wäre vermutlich auch recht knapp. Gerade als Christoph wieder zurückkommt vom Supermarkt, fährt ein rotes Taxi in die Marina. Hinterher! Der Fahrer erweist sich als sehr netter Mensch, der hervorragend deutsch spricht, und mit einem deutschen Yachtbesitzer befreundet ist. Ja, er kann uns fahren (weil er außerhalb der Stadt wohnt, gleich um die Ecke) - bis elf und ab 16 Uhr ist auch die Straße zum Flughafen wegen Ankunft bzw. Abreise des Papstes gesperrt, aber nachdem der Flieger um kurz nach drei geht, ist das kein Problem. Christoph macht aus, dass der Fahrer gegen 13 Uhr an der Rezeption auf uns wartet (er hat bereits vorher eine Fahrt zum Flughafen). Die Rettung! So können wir erst einmal gemütlich unter dem Sonnensegel, das ich währenddessen im Cockpit angebracht habe, frühstücken, und meine Freunde ihr Zeug zusammenpacken. Dann springen wir nochmal in den Pool und essen noch ein gepflegtes Eis an der Bar. Anschließend verabschiede ich mich von meiner Crew, begleite sie zum Taxi und gehe zum Schiff zurück. Meine Eltern und meine Freundin werden morgen Abend in Dubrovnik landen und wir wollen zusammen nach Pula zurücksegeln.
Christoph: "Das Taxi trifft etwas verspätet ein; wir haben mit dem Fahrer
einen Pauschalpreis ausgemacht (ca. 30 €) und zahlen gleich, gegenüber von der
Marina gibt es noch einen kurzen Stopp, dann sind wir endlich unterwegs zum
Flughafen. Wir hatten erwartet, dass wir uns irgendwie an den obersten Stadtteilen
von Dubrovnik vorbei durchschlagen, aber laut dem Taxler geht selbst dort gar nichts.
Wir fahren stattdessen das Flusstal hinter, dort den Berg hinauf, und umfahren
Dubrovnik hintenrum auf winzigen Straßen, nur einen Steinwurf von der bosnischen
Grenze entfernt. Routiniert und flott steuert der Fahrer sein Taxi durch die Gegend,
interpretiert die Tempolimits etwas freier, aber hat einen guten Blick für
die Polizisten, die heute wirklich an jeder Ecke in allen Löchern hocken.
Selbst im verschlafensten Dorf am Ende der Welt hat sich die Polizei verschanzt,
meist gut versteckt, so dass ich sie erst bemerke, wenn wir vorbei fahren - der
Fahrer hat schon rechtzeitig vorher abgebremst. Südlich von Dubrovnik treffen
wir wieder auf die normale Straße, ohne einen letzten Blick auf die Stadt
werfen zu können - denn die liegt hinter einer Kurve versteckt. Dann geht
es ein Stück hinunter Richtung Küste, vorbei an einem Wasserkraftwerk,
wir sehen kurz die Marina Cavtat, dann fahren wir auch schon unterhalb der
Landebahn-Befeuerung des Flughafens vorbei. Dieser liegt auf einer Hochebene
zwischen der Küste und den Bergen an der Grenze; nach einer weiteren Kurve
sind wir da, der Fahrer setzt uns direkt vor dem Haupteingang ab.
Trotz der Verzögerungen
sind wir dank einer großzügigen Zeitplanung mehr als rechtzeitig
da, die Check-In-Schalter haben noch gar nicht geöffnet. Ich kümmere
mich noch um meine Postkarten, für die ich in den letzten Tagen keine Briefmarken
bekommen habe - im Flughafen gibt es nicht nur Briefkästen, sondern auch
ein Geschäft, das Briefmarken verkauft und wo man mit Euro zahlen kann.
Dann öffnet auch schon der Check-In, und wir geben unser Gepäck auf.
Wir hoffen, an alles gedacht zu haben, und sämtliche Taschenmesser, Nagelscheren
und ähnliches Zeug, auf das man seit eineinhalb Jahren auf Flughäfen
allergisch reagiert, aus dem Handgepäck verbannt zu haben, aber dann fragt
uns die Mitarbeiterin, ob Batterien drin seien. Keine Ahnung, hoffentlich nicht,
daran haben wir natürlich nicht gedacht. Meine Akkus sind im Handgepäck,
aber ich habe vielleicht noch welche vergessen. Dass inzwischen so viele Dinge
verboten sind, erstaunt mich doch. Siedend heiß fällt mir ein, dass
im Discman noch Akkus sind, und ich außerdem ein Fläschchen Feuerzeugbenzin
im Gepäck habe. Naja, entweder sie entdecken es selber und entfernen es,
oder sie übersehen es - zumindest geht von diesen Dingen keine echte Gefahr
aus, kein Grund für ein schlechtes Gewissen.
Dann verziehen wir uns in die Cafeteria, die einen schönen Blick auf das Vorfeld bietet. Das ist der Vorteil bei diesen kleinen Flughäfen: man ist nah dran am Geschehen und kann alles beobachten - in München etwa ist man komplett abgeschottet, nur direkt von den Flugsteigen aus kann man die Flugzeuge sehen. Beispielsweise eine Aero-Lloyd-Maschine steht direkt vor dem Fenster - ist das unsere? Nein, vermutlich ist es ein Flug früher, nach Köln oder so. Dann ziehen wir uns einen Cappuccino und beobachten die Manager-Typen am Nachbartisch, die gerade eine Notebook-Konferenz veranstalten. Als unser Abflugtermin näher rückt, marschieren wir zu unserem Gate und lassen die Sicherheitskontrollen über uns ergehen. Das Handgepäck legen wir brav auf den Durchleuchter, aber am Metalldetektor werde ich abgefangen. Ah, Schlüssel und Geldbeutel - damit gab es zwar noch nie ein Problem, jetzt lege ich sie auch auf den Durchleuchter. Aber der Detektor piept immer noch. Was denn noch? Mein Taschenmesser ist in der Reisetasche, in meiner Gürteltasche ist nur noch der zugehörige Inbus-Schlüssel mit einem Satz Bits. Auf den springt der Security-Mensch voll an, nimmt das Ding, steckt ein Kreuzschlitz-Bit rein und zeigt mir, wie das als Waffe verwendet werden kann. Das ist doch absurd! Aber er lässt sich nicht abbringen. Erst nach einem Gespräch mit seinem Vorgesetzten gibt er mir das Teil zurück und ich darf durch.
Die Wartehalle ist voll von Leuten, wir bekommen kaum einen Sitzplatz, und
können nichts anderes tun als die Zeit totschlagen. Der Duty-Free-Shop
ist gewohnt langweilig, und
die sich abzeichnende Verspätung hebt auch nicht unsere Laune. Zwei Flüge
sind noch vor uns dran, das schaffen die nie! Wir beobachten, wie die Flugzeuge
starten und landen (die Rollbahn führt erst einmal bergab, so dass die
startenen Flugzeuge erstmal komplett nach hinten abtauchen, bevor sie dann auf
der Startbahn wieder an uns vorbeirasen), auch ein Hubschrauber ist zu sehen.
Dieser kommt ebenfalls über die Landebahn rein und fliegt dann genau über
den Rollwegen entlang, bis er bei seiner Parkposition auf dem Vorfeld aufsetzt.
Vor unseren Augen werden die Aero-Lloyd-Maschinen ent- und beladen, nach den
Flügen nach Köln und Frankfurt ist endlich unsere Maschine an der
Reihe. Ein Gepäckzug kommt, transportiert das ausgeladene Gepäck ab,
dann taucht ein weiterer auf, auf dem auch unsere Taschen zu erkennen sind,
und wird per Förderband eingeladen. Ein Koffer fällt herunter und
knallt auf das Vorfeld - so wird also mit dem Gepäck der Passagiere umgegangen.
Dann dürfen wir an Bord - einfach zur Tür hinaus und zu Fuß
zum Flugzeug laufen. Inzwischen ist es 15:45, eigentlich sollte Boarding bereits
um 15:20 sein.
Kaum, nachdem wir Platz genommen haben, kommt eine Durchsage vom Piloten, dass München heute feste Landezeiten vergäbe, wir unseren Slot verpasst hätten, und darum eine Stunde mit dem Start warten müssten. Bevor sich Unmut in der Kabine breitmacht, kommt die nächste Durchsage, dass er die Wartezeit auf eine Viertelstunde reduzieren konnte, und gleich anschließend, dass es doch sofort losgeht. Gleich nach dem Abheben fliegen wir über Dubrovnik, dann kann Michael unsere Marina erkennen, anschließend geht es weiter an der Küste entlang. Dummerweise sitzen wir rechts, so dass wir nur das gleichförmige Festland sehen statt der Inseln. Kaum hat die Maschine die Reiseflughöhe erreicht, wird eilig das Essen serviert; dann kommt das übliche Anlegen der Ellenbogen und Bewegungstraining für die Handgelenke, bis der Snack aus Miniportionen verspeist ist. Bei der Gelegenheit fällt mir ein: ich habe mein Campingbesteck dabei! Es ist ein sehr kompaktes Faltbesteck und darum praktisch immer in meinem Rucksack, so wie heute - ich habe gar nicht mehr daran gedacht, und den Schnarchnasen von der Security ist auf ihrem Röntgengerät auch nichts aufgefallen, denn im Unterschied zum Inbus-Schlüssel ist hier eine Klinge dabei, die wirklich sehr spitz und scharf ist!
Ein Blick aus dem Fenster zeigt jetzt eine sehr kleinräumig strukturierte Landschaft, die praktisch keine Landmarken wie Flüsse, Autobahnen, Seen oder Großstädte enthält. Erinnert mich an Slowenien, wo wir vor zwei Jahren mit dem Auto Richtung Idrija gefahren sind - und laut der groben Positionsanzeige auf den Bildschirmen sind wir auch irgendwo dort. Dann werden die Wolken dicker, man kann nichts mehr erkennen, und als wir laut Anzeige über den Tauern sind, beginnt der Pilot mit dem Landeanflug auf München - keine halbe Stunde nach dem Start. Wegen der geschlossenen Wolkendecke widme ich mich der Zeitung: bei der Financial Times Deutschland ist das beherrschende Thema der gestrige Selbstmord des Politikers Möllemann. Irgendwann ist dann Erding zu erkennen (mit dem Baggersee im Norden), wir fliegen am Flughafen vorbei, sehen Dachau mit dem KZ-Gelände, dann machen wir eine Kurve nach Norden, nochmal an Dachau vorbei, und landen auf dem Münchner Flughafen. Alleine bis zur Gepäckausgabe ist es ein kleiner Fußmarsch, nicht zu vergleichen mit dem übersichtlichen Dubrovnik. Dort herrscht wieder das Chaos, drei Flüge sind angeschrieben, unserer ist nicht dabei. Also warten wir. Schließlich bemerken wir, dass sich die Halle leert - auf dem einen Band sind nur noch ein paar Gepäckstücke, nämlich unsere, aber angeschrieben ist ein Flug aus St. Petersburg! Der anschließende Fußmarsch zur S-Bahn, und die ewig lange Heimfahrt bestärken uns wiedermal von der Sinnlosigkeit des Transrapidprojekts zum Airport: Durch die Verspätung des Flugzeugs, die Wartezeit auf das Gepäck, die langen Fußwege usw. ist so viel Zeit verloren gegangen, dass die Zeitersparnis durch einen Schnellzug vernachlässigbar wäre. Von der Marina bis nach Hause werden wir fast acht Stunden gebraucht haben, das ist ja fast mit dem Auto zu schaffen."