Um kurz vor neun Uhr starte ich und fahre nach einem
kurzen Tankstopp zu Michael. Nachdem dieser seine beiden Falträder
und Gepäck eingeladen hat, ist der Kofferraum voll – wie
soll da noch das Gepäck von Basti und Betty reinpassen? Muss
sich zeigen. Eine halbe Stunde später sind wir bei ihnen,
schichten etwas herum, klappen einen Rücksitz um. Dann haben wir
es tatsächlich geschafft, vier Falträder und vier Personen
samt Gepäck in unserem Renault Scénic unterzubringen.
Über die Autobahn geht es zügig nach Niederbayern und ab
Hengersberg auf der Bundesstraße hinauf in den Bayerischen
Wald. Leider sind einige lahme Lastwagen vor uns und außerdem
gibt es von Freyung nach Grafenau eine Umleitung, so dass wir nur
sehr zäh vorwärts kommen. Bei Philippsreuth geht es über
die Grenze und dann auf den schmalen tschechischen Straßen über
Volary (Wallern) nach Horní Planá (Oberplan). Dort
ziehen wir uns erstmal Geld aus dem Geldautomaten. Das Gerät
bietet als Beträge nur 500, 1000, 1500 oder 2000 Kronen an; wir
müssen das Ferienhaus bezahlen und geben darum 14000 Kronen ein
– erstaunlicherweise ist der Automat damit einverstanden und
rückt die Kohlen raus.
Dann holen wir am Tourismusbüro die
Schlüssel für das Ferienhaus, kaufen im Supermarkt eine
Grundausstattung ein und machen uns auf den Weg ins Ferienhaus, das
hinter dem Nachbarort Černa v Pošumaví
(Schwarzbach) am See liegt.
Die Straße wird immer schmäler, bis auf
Radwegbreite; von dort aus geht es über einen steilen
Schotterweg ein Stück nach unten, und wir sind am Haus. Schön!
Nachdem wir alles erkundet haben, machen wir uns einen Cappuccino und
futtern Kuchen (seit dem Frühstück haben wir schließlich
nichts gegessen); dann folgt ein Spaziergang am See auf dem
Sandstrand. Eines der herumstehenden Boote gehört zu unserem
Haus – wir müssen nur noch herausfinden, welches, und den
Schlüssel finden, der sich angeblich im Haus befinden soll.
Weiter hinten am Strand liegt ein großer Torfklumpen (wie der
wohl dorthin gekommen ist?), und daneben fließt ein kleiner
Bach durch den Sand in den See; wir bauen Staudämme, wie in
besten Kindertagen.
Dann ist es auch schon Zeit, Kerstin und ihren
Bruder Martin vom Bahnhof in Budweis (České Budějovice)
abzuholen. Wir sind rund eine Stunde mit dem Auto unterwegs; in der
Stadt wissen wir leider nicht, wohin wir fahren müssen, denn wir
haben im wahrsten Sinne des Wortes keinen Plan. Und wissen erst recht
nicht, was „Bahnhof“ auf tschechisch heißt (es wäre
„nádraží“ gewesen). Egal. Erstmal ins
Zentrum hinein; dann finden wir uns plötzlich auf einer
Rechtsabbiegespur, und folgen der anschließenden Straße
ein Stück, denn wir erblicken eine Brücke, die von der
Beschaffenheit her für Züge geeignet sein könnte. So
ist es auch; den Bahnhof vermuten wir rechts und biegen hinter der
Unterführung dorthin ab, sind dann allerdings auf der falschen
Seite der Gleise. Nach einigem Herumrangieren halten wir endlich vor
dem Bahnhofsgebäude, wo Kerstin und Martin schon warten. Sie
steigen ein, dann geht es wieder – ähnlich planlos –
zurück. Kurz vor Krumau (Český Krumlov) hatten wir
auf der Hinfahrt einen Supermarkt gesehen; dort halten wir an und
kaufen noch ein paar Sachen für das Abendessen ein, denn wir
wollen grillen. Im Garten gibt es nämlich, neben einem
Räucherofen, einen großen Grill; der See ist offenbar das
reinste Angler-Mekka, entsprechend sind alle Utensilien vorhanden.
Als wir zurück am Ferienhaus sind, hat Basti schon das Grillfeuer am Start; wir machen uns an den Nudelsalat und legen das Fleisch in eine Bier-Zwiebel-Sauce ein, und wenig später kann das Abendessen kommen.
Ich wache schon relativ früh auf und gehe nach
unten in die Stube; Basti und Betty sind auch schon aktiv und wollen
joggen gehen. Naja, Sport brauche ich jetzt noch nicht –
andererseits ist es auch blöd, hier herum zu sitzen und auf die
Anderen zu warten. Nachdem der Frühstückstisch gedeckt ist,
hole ich mein Fahrrad aus der Garage, und mache ebenfalls eine kleine
Tour in die Umgebung. Gerade verzieht sich der Nebel von der
Wasseroberfläche; ich fahre hinauf nach Radslav, das etwas
weiter im Süden an einem zum See hin abfallenden Hang liegt, und
begegne dort Basti und Betty; dann fahre ich durch das Dorf hinunter
in Richtung See und folge der sich kapillar-artig verästelnden
Straße bis zum Ende – zuerst Straße, dann schmale
Straße, dann Feldweg, und schließlich Trampelpfad. Hinter
einem schmalen Waldstreifen befindet sich der See; man tritt zwischen
den Bäumen hinaus und befindet sich gleich auf dem Sandstrand,
vor einem das spiegelglatte Wasser in der Morgensonne. Wenn nicht ein
dickbäuchiger Angler mit Gummistiefeln im Wasser stehen würde
und wenn die Bäume rundherum etwas exotischer wären, könnte
das fast schon Karibik sein (incl. Autoreifen am Strand).
Beim Frühstück beschließen wir, nach Krumau zu fahren – wegen des guten Wetters mit dem Fahrrad. Das heißt aber, dass wir noch zwei Räder in Horní Planá ausleihen müssen, was am schnellsten mit dem Auto geht. Martin und ich fahren hinüber und treffen dort gerade noch die Frau vom Reisebüro an, die gerade weggehen will. Nachdem die Räder verladen und der Geldautomat angezapft ist, schauen wir noch am Bahnhof vorbei – Martin sucht eine Zugverbindung für die Heimfahrt, die bereits ab hier geht, nicht erst von Budweis. Bei der Rückfahrt stoppen wir noch schnell am Bahnhof von Černa v Pošumaví, um zu prüfen, ob der Zug auch dort hält.
Zurück am Ferienhaus ist Basti bereits am
Überprüfen der anderen Fahrräder. Beim zweiten Birdy
ist der Steuersatz locker, was wir ohne geeignetes Werkzeug zu
beheben versuchen. Dann können wir endlich fahren; inzwischen
ist es halb zwölf. Hinter Černa v Pošumaví
entdecken wir einen nach Krumau ausgeschilderten Radweg, und nehmen
ihn. Zuerst geht es ein Stück bergauf, dann steht die Abfahrt
Richtung Hořice na Šumavě an. Michael jagt an uns
vorbei, aber kurz bevor er ganz unten ist, gibt es einen lauten Knall
– sein Hinterreifen ist geplatzt. Wegen der langen Abfahrt
vermuten wir eine Überhitzung der Bremsen; andererseits sind die
Bremsen auch etwas locker und könnten den Mantel aufgerieben
haben. Auf jeden Fall ist Letzterer fast rundherum aufgeschlitzt, und
der Schlauch ist sauber in Streifen filettiert. Aus die Maus.
Schiebend geht es weiter bis in den Ort, wo wir eine Bushaltestelle
entdecken; der Bus zurück kommt in wenigen Minuten. Wir geben
Michael die Schlüssel für Haus und Auto und verabreden uns
in Krumau.
Wir fahren durch den Ort nach unten, dann führt
uns der Radweg auf einem Feldweg bergauf, anschließend wieder
runter, dann quasi querfeldein bis in einen Wald, wo es einen Fluss
an einer Furt zu überqueren gibt. Drüben geht es wieder
steil bergauf, so dass das Vorderrad fast abhebt, dann gleich wieder
runter durch einen Hohlweg, und noch ein paar Mal hoch und runter und
zickzack ziellos durch die Gegend. Auf der Straße hätten
wir mehr oder weniger eben und auf gerader Strecke fahren können,
hier haben wir die doppelte Strecke und mindestens den dreifachen
Höhenunterschied. Und nicht auf glattem Asphalt, sondern auf
Feldwegen, gekiest mit Eisenbahnschotter. Nach dem ersten Berg
dachten wir, dass der Radweg danach im Flusstal verlaufen würde
– statt dessen queren wir das Tal andauernd und fahren
abwechselnd auf beiden Seiten bergauf und wieder bergab. In den Wald
hinauf ist es sogar so steil, dass man auch mit den besten Absichten
nur noch schieben kann. Für gut drei Kilometer brauchen wir fast
eine Stunde. Dann kommt endlich die letzte Abfahrt; bis nach Krumau
geht es dann nur noch eben dahin, und wir fahren auf der Autostraße.
Als wir die Stadtgrenze erreichen, höre ich, dass auf meinem
Handy eine SMS eingegangen ist; ein Stück weiter stadteinwärts
halten wir an: Michael meldet, dass er unter der Mantelbrücke
(das ist eine mehrstöckige Brücke, die Schloss und
Schlosspark verbindet) bereits auf uns wartet – nur gute 100 m
entfernt. Wir sperren die Räder an einem Geländer neben der
Brücke ab, und laufen unter der Brücke durch in die
Altstadt, die sich in einer Schleife der Moldau befindet; das Schloss
mit dem markanten Turm thront auf einem Höhenrücken, der
die benachbarte Flussschleife ausfüllt.
Die Altstadt ist wirklich sehr sehenswert, mit ihren
engen gepflasterten Gassen, den alten Häusern und bunt bemalten
Fassaden wirkt sie sehr malerisch. Autos sind hier praktisch keine
anzutreffen, Touristen dafür umso mehr. Aber sie verteilen sich.
Wir laufen auf die andere Seite der Altstadt, schauen vom Hang, der
gegenüber vom Schloss liegt, auf die Stadt hinunter, und gehen
dann wieder zurück zur Kirche, die innerhalb der Flussschleife
oberhalb der anderen Häuser thront. Es ist einfach sensationell,
immer wieder bietet sich einem eine neue Perspektive, die einfach
genial aussieht – die malerischen Häuser, der strahlend
blaue Himmel, der sich in den Fensterscheiben spiegelt, und fast
immer präsent das Schloss mit seinem dicken Turm. Dann queren
wir den Hauptplatz, und als wir wieder am Fluss unterhalb des
Schlosses angekommen sind, begeben wir uns in eines der dortigen
Restaurants und setzen uns auf die Terrasse direkt am Wasser.
Nach dem leckeren Essen wird es schon wieder Zeit,
an die Rückfahrt zu denken. Weil wir so spät losgekommen
sind und mit den Fahrrädern so lange gebraucht haben, ist es
jetzt schon 18:00 – mit dem Auto können wir nicht alle
Räder mitnehmen, und mit den Fahrrädern sollte man jetzt
langsam aufbrechen, um nicht in die Dunkelheit zu kommen, außerdem
ziehen langsam Wolken auf. Martin und ich nehmen die Räder; auf
dem Weg dorthin laufen wir noch durch das Schloss mit seinem
Braunbärengehege im Burggraben, den verschiedenen bunt bemalten
Innenhöfen, und besichtigen die Mantelbrücke auch von oben.
Dann radeln wir los. Diesmal nehmen wir konsequent die Straße;
die flachen Steigungen sind meist gut machbar. Nur gegen Ende kommt
dann ein Berg, der auch mich ziemlich alle macht, weil er einfach
nicht enden will. Aber schließlich gibt es auf der anderen
Seite eine schöne Abfahrt, und bald danach sind wir in Černa
v Pošumaví. Als wir dann auf den Weg nach Jestřábi
zum Ferienhaus einbiegen, werden wir doch noch von den Anderen mit
dem Auto überholt – auf den letzten Metern. Mist!
Die Nacht über hat es immer wieder geregnet,
und auch morgens ist der Himmel noch grau in grau. Darum machen wir
keine großen Pläne für Unternehmungen, sondern sitzen
lesend im Wohnzimmer. Gegen Mittag entschließen wir uns zu
einem Spaziergang, aber lediglich in den Nachbarort Radslav. Dort
gibt es einen kleinen Laden, wo wir ein paar Sachen einkaufen wollen,
u.a. Kaffee. Leider hat das Geschäft über Mittag
geschlossen, darum laufen wir weiter nach Bližná (wo es ein
Haus mit einem riesigen Loch in der Fassade gibt – was die wohl
angestellt haben?) und über den Berg mit dem Funkmast und
anschließend querfeldein zurück zum Ferienhaus. Michael und
Kerstin wollen anschließend mit dem Fahrrad noch einmal zu dem
Laden fahren und einkaufen, aber kommen unverrichteter Dinge zurück,
denn der Laden hat nur in der Hauptsaison auch nachmittags geöffnet.
Zunächst futtern wir erstmal Kuchen; anschließend machen Kerstin, Michael und ich uns auf den Weg nach Černa v Pošumaví zum Einkaufen. Dort finden wir zwar zwei Geschäfte, aber das erste, in einem Hinterhof bei einer Tankstelle, hat neben Autozubehör im Wesentlichen nur ein paar Getränke; im zweiten, auch etwas versteckt gelegen, können wir zumindest Brot und Margarine kaufen. Wir brauchen aber mehr – weil wir eh schon vorne an der Hauptstraße sind (das Ferienhaus ist ca. 3 km entfernt), entschließen wir uns, noch die paar Kilometer nach Horní Planá zu fahren, wo wir alles Benötigte bekommen. Auf dem Rückweg beginnt es zu regnen, aber leider bleibt es nicht bei einem leichten Tröpfeln, so dass wir halbwegs durchnässt ankommen.
Durch den Regen hat es auch zunehmend abgekühlt, so dass wir uns entschließen, das Kaminfeuer in Betrieb zu nehmen. Unter der Treppe steht eine ganze Kiste voller Holz, so dass wir ordentlich einheizen können. Außerdem ist hinter dem Haus noch jede Menge weiteres Holz. So machen wir uns einen gemütlichen Abend am Feuer und ignorieren den Regen, der draußen immer wieder mal angreift.
Heute ist das Wetter wieder schön und der
Himmel weitgehend wolkenfrei. Nach dem Frühstück nehmen
Basti und ich uns das Ruderboot und Rudern zur Insel hinüber –
was gar nicht so einfach ist, denn dieses idiotische Teil ist, wenn
man zu zweit rudert, alles andere als kursstabil und dreht sich mal
zur einen, mal zur anderen Seite. Zudem ist der Antrieb irgendwie
asymmetrisch, so dass man auf der einen Seite stärker rudern
muss als auf der anderen. Auf der Insel gibt es nicht viel zu sehen;
sie ist Naturschutzgebiet und mit lichtem Laubwald bewachsen.
Rundherum sind Angler aktiv, teils auf Booten und teils auf einer
vorgelagerten Sandbank. Wir halten uns nicht lange auf und machen uns
auf den Rückweg, für den wir dank optimierter Rudertechnik
(die mir eine Blase auf der Hand beschert) nur noch eine knappe halbe
Stunde brauchen.
Wieder zu Hause machen wir Pläne für den
restlichen Tag. Wir müssen einkaufen, und das ließe sich
mit einer Radtour verbinden. Zum Beispiel auf die andere Seite vom
See und weiter nach Horní Planá oder Frymburk
(Friedberg). Nachdem das zweite Birdy hergerichtet ist (der
Steuersatz hatte nicht gehalten), machen wir uns auf den Weg –
hinter Jestřábi steil nach oben, und dann über
Bli¸ná an das Ende der Halbinsel bei Dolní Vltavice.
Dort gibt es eine Fähre, aber weit und breit kein Personal und
auch keine Instruktionen, wie man es erreichen kann. Im Restaurant
nebenan frage ich einen Mann, dieser holt den Kapitän, welcher
uns über den See fährt und uns an einer einsamen
Anlegestelle im Nirgendwo des Südufers abliefert. Die Überfahrt
war nett, allerdings sehr viel teurer als erwartet. Anscheinend hat
er eine Sonderzulage berechnet, weil es eine irreguläre Fahrt
war. Aber das war nirgends angeschrieben, ebensowenig die regulären
Abfahrtszeiten.
Am Südufer angekommen entscheiden wir uns, nach links zu fahren. An einer Bucht sehen wir fahlgraue Baumstümpfe im Wasser – wahrscheinlich Bäume, die beim Bau des Staudamms überschwemmt wurden. Über eine schmale kraterübersäte Teerstraße geht es dann weiter Richtung Osten, leider immer nur durch den Wald, ohne Blick auf den See und die Landschaft. Dann verlassen wir den Wald und befinden uns direkt gegenüber von Frymburk. Am dortigen Fähranleger warten schon zwei andere Leute; das Schild sagt uns, dass die nächste Überfahrt in zwanzig Minuten stattfindet; ansonsten solle man per Hammerschlag auf die aufgehängte Eisenbahnschiene mitteilen, dass man eine Sonderfahrt wünscht, was pro Person 75 Kronen zusätzlich kostet. Darauf haben wir keine Lust – lieber warten wir auf die Überfahrt, denn mit dem Fahrrad außen herum über den Staudamm würden wir eine Stunde brauchen.
Drüben im Frymburk gehen wir zuerst in den
Supermarkt und setzen uns dann in ein Café zu Cappuccino und
Obstknödel. Dieser Ort hier ist recht hübsch; an die Kirche
schließt sich der längliche Hauptplatz an, in dessen Mitte
eine kleine Grünanlage mit Bäumen, Bänken, einem
Brunnen und einem von einer wasserspeienden Frosch-Skulptur
gespeisten Wasserlauf. Dann brechen wir auf zum Rückweg, der
etwas hügeliger ist. Angekommen am Ferienhaus tropft irgendwas
an meinem Fahrrad – eine der Wasserflaschen, die ich auf den
Gepäckträger geschnallt hatte, ist undicht. Der Bowdenzug
greift von unten an die Hinterradbremse an, und das überstehende
Stück hat sich durch das Gerüttel in die Flasche gebohrt.
Nach dem Abendessen (Nudeln, die größere Mengen an Schleim abgesondert haben), testen wir das gekaufte Mikrowellenpopcorn aus. Die erste Packung produziert wie erwartet einen schwarzen verbrannten Klumpen, aber die zweite Packung gelingt. Die nicht geplatzten Körner werfen wir dann in den Kamin, wo sie weiterpoppen. Lustig.
Heute ist wieder ein Faulenzertag; wir verbringen
die meiste Zeit am Strand, lesend, schwimmend oder im Ruderboot.
Gegen Nachmittag raffen wir uns dann auf, noch etwas einzukaufen, und
fahren mit dem Auto nach Horní Planá. Im Supermarkt
holen wir Vorräte für den Rest unseres Aufenthaltes (ist schon
erstaunlich, was sechs Leute so alles wegfuttern); außerdem
hätten wir gerne frischen Fisch gehabt. Wie gesagt, der See ist
ein Angler-Mekka und Angelzubehör findet man im winzigsten Kaff
an jeder Ecke, aber Fisch scheint niemand zu verkaufen. Ich frage im
Tourismus-Büro nach: In Horní Planá, obwohl der
größte Ort im Umkreis, gibt es keinen, aber in Černa
v Pošumaví (bis ich dieses Wort verstanden habe!) soll
es einen Fischhändler geben. Also fahren wir hin. Basti erinnert
sich zum Glück, dass er an der Ausfallstraße Richtung
Krumau etwas von Fisch gelesen hat, ansonsten hätten wir wieder
ewig herumgesucht. Es handelt sich um eine kleine Fischzucht; wir
bestellen sechs Forellen, die der Fischhändler mit dem Kescher
frisch aus dem Becken holt, mit einem Schlag betäubt und gleich
ausnimmt. Bis wir zu Hause sind, zappeln die Fische noch in der Tüte
– frischer geht es wirklich nicht. Aber erstmal brauchen wir
noch Zubehör, um den Räucherofen in Betrieb nehmen zu
können (Räuchermehl, außerdem etwas, um die Fische
einlegen zu können). Wir schauen noch bei einem Anglergeschäft
in Černa v Pošumaví (nichts, Verkäuferin
spricht nicht einmal Englisch/Deutsch) und auf der anderen Seite des
Damms in Hůrka vorbei (ebenfalls nichts im Angebot) und kehren
unverrichteter Dinge zurück zum Ferienhaus. Michael improvisiert
etwas, um die Fische einlegen zu können; außerdem
entdecken wir in einem Schuppen einen Sack mit Sägemehl und eine
Rolle mit Draht, um die Fische aufhängen zu können. Ist
doch alles da! Und so setzen wir die Kartoffeln auf und werfen Grill
und Räucherofen an. Das wird ein Festessen heute! Nach der
Hauptspeise kommen die Leute vom Tourismusbüro vorbei, um die
geliehenen Fahrräder abzuholen (was für ein Service!), und
dann geht es zur Nachspeise, geräucherte Forellen und
geräucherte Eier.
Nach dem Frühstück fahre ich Martin zum
Bahnhof nach Hůrka (Stuben); anschließend machen wir uns
fertig für einen Ausflug nach Budweis. Jetzt sind wir nur noch
zu fünft, und passen daher alle in das Auto. Zuerst geht es nach
Krumau, und hinter der Stadt weiter auf winzigen Sträßchen
in das Dorf Holašovice. Dieses wurde in einem Reiseführer
empfohlen, denn rund um den Dorfanger steht ein komplettes barockes
Häuser-Ensemble, welches als Weltkulturerbe unter dem Schutz der
Unesco steht. Ein Haus neben dem anderen, meist einfarbig bemalt mit
Zierstreifen und Jahreszahlen, manche Giebel sind geschwungen und
manche geradlinig. Hübsch!
Weiter geht es Richtung Hluboká nad Vltavou
(Frauenberg), immer in Richtung der Kühltürme von Temelín,
das man in der Ferne sieht. Wir haben den Böhmerwald jetzt
endgültig verlassen, das Land ist eben, und wir fahren durch
Alleen, vorbei an mehreren Seen. Dann sehen wir ein stattliches
Gebäude – das muss das Schloss sein! Also rein in den
Parkplatz. Aber es ist nur das Jagdschlösschen Ohrada (mit einem
Zoo daneben und dem ältesten Jagdmuseum der Welt); das
eigentliche Schloss, für das die Stadt berühmt ist, ist auf
der anderen Seite des Sees auf einem Hügel zu sehen. Wir laufen
hinüber, und bleiben im Ort erstmal in einem Gasthaus hängen
– Hunger macht sich bemerkbar. Außerdem ist das Essen
hier gut und günstig; ich genehmige mir beispielsweise gebratene
Froschschenkel, zu einem Preis, für den ich zu Hause nicht
einmal Pommes bekäme.
Dann laufen wir hoch zum Schloss. Es ist im
Windsor-Stil errichtet, wirkt mit seinem Zuckerbäcker-Stil
(schneeweiß, überall Zinnen, Ornamente, verzierte
Scheiben, Hirschgeweihe) von außen etwas künstlich und
Disney-artig, aber trotzdem beeindruckend und wunderschön. Das
Innere besichtigen wir nicht, sondern spazieren im Park herum.
Nachdem wir endlich wieder zurück am Auto sind, machen wir uns auf den Weg nach Budweis – viel Zeit haben wir ja nicht mehr, nachdem wir den Nachmittag so gemächlich vertrödelt haben. Wir suchen uns in der Nähe der Innenstadt einen Parkplatz (die Kommunikation mit dem Parkplatzwächter gestaltet sich etwas schwierig, weil er keine bekannte Sprache spricht), und marschieren dann zum quadratischen Hauptplatz mit dem großen Brunnen in der Mitte. Umgeben ist der Platz von prächtigen Häusern mit herrschaftlich-strengen Fassaden und Arkaden. Wir setzen uns in eines der Straßencafés und ziehen uns einen Cappuccino; anschließend steigen wir auf den Schwarzen Turm, von dem aus man eine schöne Aussicht auf die Stadt hat. Danach laufen wir noch eine Runde um die Altstadt am Wasser entlang, wo sich die durch die Abendsonne in warmen Farbtönen leuchtenden Fassaden der Häuser spiegeln.
Um halb acht stehen wir auf, packen unser Zeug,
verarbeiten die restlichen Eier zu einem Frühstücksomelette
und reinigen das Haus. Dann bringt Michael die Kerstin zum Bahnhof;
während dessen machen wir einen letzten Spaziergang zum Strand,
wo sich gerade der Nebel von der Wasseroberfläche verzieht. Als
Michael wieder zurück ist, laden wir unser Gepäck in das
Auto, sperren das Haus zu und fahren ab. In Horní Planá
tauschen wir Hausschlüssel gegen Kaution (es gab gar keine
Endabnahme des Hauses, man vertraut uns einfach...) und schauen noch
ein bisschen dem Mountainbike-Rennen zu, das auf und rund um dem
Stadtplatz stattfindet. Dann geht es auf der selben Route wie bei der
Anreise zurück in Richtung Grenze. Kerstin schreibt, dass sie
mit dem Zug inzwischen in Volary sei – wir erreichen den Ort
mit dem Auto nur wenige Minuten später. Die tschechischen Züge
müssen wirklich langsam sein. An der Straße zur Grenze
stehen wieder etliche Frauen herum; warten die etwa alle auf den Bus?
In Deutschland kommen wir diesmal gut voran, und sind relativ bald auf der Autobahn. Basti hat inzwischen seinen Arbeitskollegen, der im Outback hinter Landshut wohnt, kontaktiert, so dass wir auch noch einen Abstecher zu ihm machen. Auch Michael und ich haben ihn kennen gelernt, als wir am Garchinger Forschungsreaktor (an dem wir nachher auch noch vorbei fahren werden) ein Praktikum gemacht haben. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass wir aus Tschechien, nicht weit von Temelín, kommen, und in der Nähe von Ohu die Autobahn verlassen, ist das heute eine echte Reaktor-Tour. Nachdem wir bei Heinz ein paar nette Stunden verbracht haben, fahren wir weiter; Betty und Basti steigen in Dachau aus, kurz darauf sind auch Michael und ich zu Hause.