Autofahren in Amerika

Amerika ist das Land der Autofahrer, das ist klar. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es so gut wie gar nicht, die Eisenbahn ist, sofern die Strecke noch existiert, für den Güterverkehr. Wir haben nur ein einziges Mal Personenzüge gesehen, nämlich am Grand Canyon, wo sie als Luxuszüge und Touristenattraktion Leute befördern (wie der „American Orient Express“, den wir dort sahen), die Zeit und Geld haben - das war unser Eindruck. Große Eisenbahnstrecken gibt es noch (obwohl sicherlich ein Großteil stillgelegt wurde), meist verlaufen sie stückweise parallel zum Highway, und irgendwo verschwinden sie dann in der Weite der Landschaft. Sie sind praktisch immer nur eingleisig und nicht elektrifiziert, und wenn man einen Zug sieht, ist er meist mit zwei oder mehr schweren Dieselloks bespannt, und hat sehr viele Waggons - beim Schätzen kamen wir auf ca. 80 Stück (!).
Wer sich öffentlich fortbewegen will, nimmt wohl besser den Grayhound-Bus, der auf seinen Hauptlinien regelmäßig (ca. täglich) die großen Städte der USA verbindet, und auch Nebenlinien zu kleineren Orten bietet (seltamerweise haben wir keinen Bus bewusst gesehen - sicherlich nicht das verbreitetste Verkehrsmittel). Allerdings sind die Reisezeiten sehr lang (durchaus 48 Stunden, in denen nur zum Essen pausiert wird), und vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten benutzen ihn.
Wer Geld hat, bevorzugt für große Strecken das Flugzeug (Flugverbindungen gibt es viele, und die Flughäfen sind im Allgemeinen deutlich größer im Verhältnis zur Größe der Stadt als in Deutschland). Selbst kleine Orte mit wenigen Tausend Einwohnern haben Flughäfen, für kleine Propellermaschinen - verständlich, wenn mehr als genug Platz in der weiten, öden Landschaft ist und die nächste größere Stadt zig Meilen oder weiter weg ist.
Für alles andere gibt es das Auto. Jeder hat eines, die Straßenverbindungen sind gut, das Benzin ist billig, die Strecken groß, die Städte weitläufig und autogerecht... also fährt der Amerikaner überall hin, oft weite Strecken. Eine Alternative zum Auto gibt es praktisch nicht, aber das stellt kein Problem dar: das Land ist groß, und mit Platz muss nicht gespart werden, also haben die Highways (im Vergleich zu Deutschland) sehr breite Fahrbahnen und führen meist schnurgerade zur nächsten Stadt und dort oft direkt durch das Zentrum (außer bei großen Städten), was kein Problem ist, weil die Städte nach dem „Grid-Pattern-System“ (Straßen rechtwinklig im Schachbrettsystem) angelegt sind, die Durchgangsstraße hat nur ein Geschwindigkeitslimit, aber weder eine Kurve noch eine Verengung. Besonders außerhalb der Städte gibt es außerdem fast keine Zusatzregelungen, man sieht meilenweit kein einziges Verkehrsschild (und ist sich gar nicht so sicher, welches Tempolimit momentan gilt), die Straße ist überall gleich gut ausgebaut. Trotz der hohen Fahrzeugdichte in den USA gibt es selten Staus, weil sich die Autos über das riesige Straßennetz meist gut verteilen. Weil das Geschwindigkeitslimit im Allgemeinen für PKWs und Trucks gleich ist (55 oder 65 mph, auf den „Interstates“ meist 75 mph) und sich wegen der manchmal strengen Kontrollen fast jeder daran hält, ist der Verkehr immer flüssig, und wegen der wenigen Limits (v.a. in Städten) erreicht man trotzdem eine gute Durchschnittsgeschwindigkeit. Kurzfristiges Rasen oder eine aggressive Fahrweise (wie in Europa) bringt nicht viel, deshalb fahren die Amerikaner relativ diszipliniert - z.B. wenn man „trödelt“, fängt niemand gleich zum Hupen an, fährt dicht auf oder fängt zu schimpfen an, sondern man wird bei der nächsten Gelegenheit kommentarlos überholt (allerdings wird erwartet, dass man dem Überholer nach Möglichkeit Platz macht oder ihn zumindest nicht behindert). Obwohl in Europa (speziell in Deutschland) das allgemeine Geschwindigkeitslimit meist höher ist, kommt man in den USA schneller vorwärts, weil es weniger Behinderungen (Verkehr, Kurven, riskante Engstellen, Ortschaften, Einmündungen, unübersichtliche Abschnitte) gibt. In der Praxis fährt man deshalb mehrere Stunden lang mit praktisch konstanter Geschwindigkeit, mit wenigen Kurven, man muss nicht bremsen, überholen oder schalten (das macht sowieso die Automatikschaltung, die jedes Auto hat).
Eine Unterscheidung zwischen kleineren Landstraßen und Autobahnen gibt es in den USA eigentlich nicht. Nur die „Interstates“, auf denen die Trucks unterwegs sind, bieten kreuzungsfreie Anschlüsse, einen Mittelstreifen (der weit großzügiger als in Deutschland ist: nicht ca. zwei Meter, sondern normalerweise so breit wie die Fahrspuren daneben (wir haben aber auch eine Straße gesehen mit einem mehrere hundert Meter breiten Mittelstreifen) . Daher gibt es keine Leitplanken (außer in den Städten, wo der Mittelstreifen so schmal wie in Europa ist)). Aber die kleineren Straßen sind genauso Fernstraßen; sie sind etwa so breit wie eine Bundesstraße bei uns und haben oft großzügige Standstreifen links und rechts. Die Straßen verlaufen im Allgemeinen direkt und schnurgerade durch das Land oder haben zumindest weite Kurven, in denen kaum abgebremst werden muss. Das ist kein Problem, weil das Land groß ist und weder Häuser, Grundstücksgrenzen noch ein historischer Straßenverlauf Einschränkungen machen. Tunnels scheinen in Amerika fast unbekannt zu sein, stattdessen wird der gesamte Felsen weggesprengt (auch wenn er die mehrfache Höhe der benötigten Durchfahrt hat). Und weil die Straßen von vornherein für Autos gebaut wurden (anders als in Europa), sind auch große Höhenunterschiede kein Problem, eher führen sie geradeaus auf die Hügelkette hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter, als dass versucht wird, die Berge zu umgehen.
Die Infrastruktur für Autos ist auch sehr gut. In den Städten gibt es keine Parkplatzprobleme (Ausnahme: San Francisco ist alles andere als autogerecht), weil die Städte so weitläufig und die Straßen so breit sind, dass links und rechts Autos parken können, und Parkgebühren gibt es auch fast nie. Einkaufen tut man in den USA sowieso in großen Supermärkten, die riesige Parkplätze haben. Überhaupt sind Parklätze (z.B. auch in den Nationalparks) immer reichlich vorhanden, und wegen der großen Autos auch großzügig dimensioniert (mit unserem Auto mussten wir nie Angst haben, beim Ausparken an das gegenüberliegende Fahrzeug zu stoßen, oder irgendwelche Rangiermanöver durchführen - man verlernt das Parken!). Das Tanken ist auch kein Problem. Auch wenn die Orte manchmal zig Kilometer auseinanderliegen, in jedem winzigen Kaff gibt es mindestens eine Tankstelle, auch wenn der Ort nur aus einer Handvoll Häusern an einer Kreuzung im Nirgendwo besteht. Die Benzinpreise liegen zwischen $ 1,32 und $ 1,99 pro Gallone (= 3,78 Liter; 1 $ = 1,90 DM) (je abgelegener eine Tankstelle ist, desto teurer; die $ 1,99 fanden wir im Death Valley, am billigsten war es seltsamerweise in Las Vegas, in den Nationalparks zwischen $ 1,40 und $ 1,60). Die Bedienung der Tankstellen ist etwas gewöhnungsbedürftig: manchmal kann man wie bei uns tanken und danach bezahlen, manchmal muss man vorher bezahlen (die Zapfsäule gibt dann nur die gekaufte Menge Benzin her, wenn man weniger tankt, bekommt man das Restgelt zurück), manchmal haben die Zapfsäulen gleich einen Kreditkartenautomat integriert, bei manchen Zapfsäulen muss man zusätzlich noch einen Hebel nach oben klappen, damit Benzin kommt.
Die Autos sind ein Kapitel für sich; tatsächlich haben die amerikanischen Autos nicht viel mit den in Europa zu tun (aber das ist sicher je nach Region verschieden). Wir waren mit einem „Kia Sportage“ unterwegs, einem kleinen Jeep, mit einem 130-PS-Motor (wir hatten die kleinste Mietwagen-Klasse gebucht - dafür war das Auto recht komfortabel). Aber in den Nationalparks war unser Auto auf den Parkplätzen immer das mit Abstand kleinste Auto (in Kalifornien war das anders, da sah man auch z.T. „europäische“ Autos). Die anderen Autos sind praktisch alle Pickups (typischerweise „Dodge RAM“ oder „Ford Bronco“ - also fast immer US-Marken), sehr lang (allein die Ladefläche ca. 3 m), breit und hoch (mit beachtlicher Bodenfreiheit) - deutlich größer als alles, was auf deutschen Straßen unterwegs ist. Gleiches gilt für die Trucks: mit ihren großen Zugmaschinen (mit großer Motorhaube davor) und Anhängerkonstruktionen, bei denen oft die Räder hinter statt unter dem Anhänger sind, sind die Gespanne bei ähnlicher Transportkapazität ein ganzes Stück länger als ihre deutschen Pendants, und es gibt auch Lastwagen mit zwei Anhängern. Das ist bei den großzügigen Straßenverhältnissen aber auch kein Problem. Einen weiteren Unterschied bemerkt man, wenn man einen Berg hinauffährt: man erkennt den Berg zwar kaum (weil die Straße nicht schmaler und die Kurven nicht enger als in der Ebene sind), aber unser Auto hatte spürbare Probleme mit der Steigung - nicht jedoch die Amerikaner, die uns munter überholten. Ihre Pickups müssen also ziemlich stark motorisiert sein, dass der Unterschied zu unserem Auto so groß ist (vermutlich mindestens 200 PS), der Benzinverbrauch wird entsprechend sein (es gibt fast keinen Preisunterschied zwischen Benzin und Diesel, deshalb fahren fast alle Autos mit Benzin; nur die Trucks haben wegen der längeren Haltbarkeit wohl Dieselmotoren), was aber wegen der Benzinpreise kein Problem zu sein scheint. Außerdem sind, weil es in den USA keinen TÜV oder ähnliches gibt, auch seltsame Konstruktionen (z.B. ein Fahrradträger an der vorderen Stoßstange und andere „Rammböcke“) und auch eher schrottreife Fahrzeuge unterwegs (einmal sahen wir ein Auto, bei dem während der Fahrt Benzin aus dem Tankdeckel lief, und man sieht sehr oft zerfetzte Reifen am Straßenrand). Nicht zu vergessen sind auch die Wohnmobile („Motorhome“), die viel weiter als in Deutschland verbreitet sind. Sie sind aber deutlich größer, gegen sie sehen die sowieso schon großen Pickups eher mittelmäßig aus, und oft dachten wir, uns kommt auf der Straße ein Omnibus entgegen (es gibt aber kaum Busse auf Amerikas Landstraßen) - dabei war es ein Wohnmobil. Oft hängt sogar an einem 10 m langen Wohnmobil noch ein großer Pickup hinten dran. Wohnwägen („RV“ = „Recreation Vehicle“) sind auch beliebt. Sie werden aber fast nie an die Anhängerkupplung gehängt, sondern sind wie der Trailer eines Sattelschleppers auf der Ladefläche der Pickups befestigt und auch sehr groß (mindestens doppelt so groß wie ein kleiner deutscher Wohnwagen).