An diesem Tag wollen wir Paria besichtigen. Was ist Paria? Dazu ist eine kleine
Vorgeschichte nötig: Als wir uns über die Reise
informiert haben, haben wir ab und zu ganz tolle Fotos gesehen,
von einer Felslandschaft, die mit lauter feinen Linien gestreift
ist, in weiß, beige, braun bis rötlich, die Linien
ziehen sich wellenförmig über den Fels, der Fels ist
überhaupt nicht kantig, sondern ist ganz glatt und rund
geschliffen. Wo ist das? Muss ganz toll aussehen, aber in keinem
Reiseführer ist dieses Gebiet beschrieben, auf keiner Karte
eingezeichnet, obwohl in den Reiseführern oft ein Bild drin
ist. In München beim Hugendubel sehen wir ein Buch mit
diesem Fels auf dem Cover, und finden schließlich nach
langem Suchen im Kleingedruckten, dass sich das
„Paria“ nennt. 'Paria', wie 'Maria'
mit P, so kann man es sich merken. Von Bekannten, die so eine
Reise schon mal gemacht haben und bei denen wir uns informiert
haben, erfuhren wir, dass der Paria ein Nebenfluss des Colorado
ist. Ein anderer Bekannter war schon mal da, wollte nach Paria
reinwandern, hatte ein Permit (jeden Tag bekommen nämlich
nur 8 Leute so ein Permit). Aber es regnete, und so konnte er
nicht hin. Im Reiseführer steht auch was von den 8 Leuten
pro Tag etc., aber nicht, wo dieses verdammte Paria liegt. Wir wissen eben nur: in
der Nähe von Page (das ist
an der Staumauer des Lake Powell). Am Vorabend haben wir uns
überlegt, ob wir schon früh in Page sein sollten, um noch rechtzeitig
eines der acht Permits zu erhalten. Aber da wir
einigermaßen erschöpft von der Grand Canyon Wanderung
waren, es bis dorthin sicher 100 Meilen waren und wir somit schon
so gegen halb fünf Uhr morgens aufstehen, das Zelt in
absoluter Dunkelheit abbauen hätten müssen und wir sehr
wenig über Paria wussten,
haben wir das verworfen. Das wäre es nicht wert gewesen. Wir
schlafen einigermaßen aus, fahren in Ruhe los (ganz fit
sind wir noch nicht, die Wanderung war anstrengend), und kommen
gegen 11 Uhr in Page an. Die
Stadt wirkt etwas seltsam, wir folgen dem Schild „Tourist
Information“, finden die Information aber nicht. Aber wir
sehen einen Wal Mart, wo wir einkaufen wollen. Allerhand Zeug
gibt es dort, von Haushaltswaren über Videokameras zu
Hobbybedarf, Jagdbedarf, eine Waffenabteilung (in einem
Supermarkt!), aufblasbare Böcke zum abschießen... aber
kaum was zum Essen. Weiter geht's zum Staudamm, dort gibt es ein Visitor
Center, und wir melden uns für die kostenlose
Staudammführung um halb eins an. Die Zeit bis dahin schauen
wir uns die Ausstellung an und ich schreibe etwas an diesem
Tagebuch weiter. Dann beginnt die Staudamm-Führung. Also:
Man wollte in den 50er-Jahren einen Wasserspeicher bauen. Man
suchte sich diese Stelle beim heutigen Page aus, weil da das
Flusstal, der Glen Canyon, eng ist, also leicht aufzustauen, und
außerdem gibt der Sandstein genug Halt für eine
Staumauer und das Gestein für den Beton gibt es auch in der
Nähe. Zuerst wurde eine Seilbahn über den Colorado
gebaut, um das Gerät transportieren zu können. Danach
baute man die Metallbrücke, die es auch heute noch gibt.
Vorgefertigt wurden die beiden Hälften in San Francisco, und vor Ort Stück
für Stück aufgebaut. Weil sich der Stahl bei
Temperaturerhöhungen dehnt, wartete man mit dem
Mittelstück, bis die Temperatur einen Wert erreicht, bei dem
die Stücke genau passen - und das taten sie dann bis auf ein
Viertelzoll genau. Währenddessen liefen die Arbeiten am Damm
an, es wurde ein Tunnel gebohrt, um den Colorado um die Baustelle
zu leiten, anschließend räumte man lockeres Gestein
weg und begann zu betonieren. Dazu errichtete man die
wahrscheinlich größte Betonmaschine der Welt und die
ebenfalls wahrscheinlich größte Eismaschine (um den
Beton zu kühlen; beim Erhärten entsteht Wärme, und
außerdem ist diese Gegend nicht gerade kalt. Hätte man
einfach so betoniert, hätte es wegen der immensen Menge des
Betons sehr lange gedauert, bis es hart geworden wäre, wenn
ich mich richtig erinnere, 200 Jahre). Und dann wurde ein paar
Jahre lang gebaut, soviel Beton verwendet, dass man damit einen
Highway, mehrere Zentimeter dick, von Phoenix bis Chicago bauen
könnte. Wir fahren runter und gehen auf den Damm, dann
fahren wir mit dem Lift weiter runter bis zum Kraftwerk, das bis
zu 1,3 GW erzeugen kann und die Spitzenlast abdeckt. Durch die
Staumauer und den Sandstein außenrum sickert Wasser durch,
erstaunliche mehrere Kubikmeter pro Minute. Damit der Staudamm
nicht zu voll wird, gibt es zwei Stollen und außerdem noch
andere Rohre, durch die man den Stausee schnell entleeren
könnte. Diese Rohre wurden übrigens 1996 bei der
künstlichen Flut benutzt, mit der der Grand Canyon
durchgespült wurde - weil Sand etc. jetzt im Stausee
hängenbleibt, anstatt sich im Flusslauf abzulagern, sind
Sandbänke immer mehr erodiert. Durch diese künstliche
Flutwelle wurden einige Sandbänke neu geschaffen, man will
das jetzt alle 5 Jahre machen. Wir erfahren einiges über die
Dimensionen der Staumauer (hat u.a. mehrere Kilometer Gänge
im Inneren) und des Stausees (flussaufwärts ca. 300 km
lang), danach geht es wieder hoch zum Visitor Center. Ich frage
an der Information, wo Paria, der Antelope Canyon und der Slot
Canyon ist. Der sehr hilfsbereite Mitarbeiter gibt mir zwei
Karten und zeichnet sie ein: der Antelope Canyon ist direkt
östlich von Page, etwas weiter flussaufwärts
heißt er Slot Canyon. Liegt nicht auf unserer Route,
außerdem wissen wir aus dem Reiseführer, das beide von
den Navajos verwaltet werden und deshalb die Besichtigung sehr
teuer ist (ca. 40$), außerdem sehen sie nur gut aus, wenn
das Sonnenlicht in diese engen Canyons direkt von oben
hineinfällt - also nur in der Mittagszeit. Lassen wir das.
Aber Paria liegt auf unserem
Weg zum Bryce Canyon; ca. 20
Meilen westwärts am Highway 89, dann würde man das
Schild zur Ranger Station
schon sehen, wenn man bei der großen Kurve ist, ist man zu
weit. Super, wir fahren los, und finden die Ranger Station. Der Ranger ist ein
merkwürdiger Typ, auf die Frage, wo man denn am besten
wandert, meint er, hier könne man viel wandern, tagelang...
aber soviel Zeit haben wir nicht. Wenn man in kurzer Zeit viel
sehen wolle, empfehle er einen Trail, der einige Meilen entfernt
startet, und zeigt in uns auf seiner Karte. Man müsse dort
unter Umständen durch knietiefes Wasser waten. Gut, machen
wir das. Wir fahren los, aber wo geht die Straße zu diesem
Trailhead weg? Wir haben keine Karte, in der der Trailhead
eingezeichnet ist, aus dem Gedächtnis weiß ich nur
noch, dass der Weg ganz in der Nähe der großen Kurve
des Highways abzweigt. Michael sieht zufällig einen Feldweg
- der muss es wohl sein, obwohl nichts beschildert ist. Wir
fahren einige Meilen entlang, bis uns ein Trailhead begegnet (kl.
Parkplatz mit Tafel) - aha, der nächste muss es sein. Nach
insgesamt 8 Meilen Schotterstraße (gut, dass wir ein
Jeep-ähnliches Auto haben) sind wir am Wire Pass. Wir registrieren uns dort
schnell und wandern los. Zuerst geht es durch ein ausgetrocknetes
Flussbett, das dann plötzlich sehr eng im Fels verschwindet
- wir sind in einem Slot-Canyon. Nur ca. einen Meter breit, die
Sandsteinwände verlaufen wellenförmig-glatt, und
zwischendurch sehen wir große Äste in der Luft
eingeklemmt. Daher also die Warnung vor den flashfloods, die hier
auftreten können: wenn es irgendwo im oberen Flusslauf,
Meilen entfernt, regnet, kommt dieses sehr plötzlich (auch
wenn hier die Sonne scheint) und wird in diesen engen Canyons zur
tödlichen Gefahr, wenn man drinnen ist und riesige
Wassermassen durch den Canyon donnern. Die Gewalt des Wassers
sieht man an den Felsauswaschungen und den großen Steinen
und Wurzeln, die rumliegen. Man hat keine Fluchtmöglichkeit.
Aber toll sehen diese Canyons aus, obwohl es schon später
Nachmittag ist. Wir gelangen schließlich in ein etwas
weiteres Tal, wo dann nach einer Weile eine Stelle kommt, wo das
Wasser steht und wir durchwaten müssten. Dazu haben wir aber
keine Lust und auch keine Zeit, wenn wir zurück sind, geht
schon bald die Sonne unter (jetzt um 19 Uhr, weil wir wieder
Mountain Daylight Saving Time haben, wir sind wieder in Utah).
Wir schauen uns etwas um, versuchen diese Stelle irgendwie zu
überklettern, z.B. indem wir über eine Sanddüne
zum Felsen hochsteigen. Aber wir schaffen es nicht,
raufzuklettern, beim runtergehen von der Düne fällt
Michael in einen Kaktus und ist eine Weile beschäftigt, die
Stacheln aus seinem Hintern zu ziehen. Also zurück; ich
klettere dann von einer anderen Stelle nach oben und halte
Ausschau: hier ist diese Wave weit und breit nicht, vielleicht
ein Stück weiter im Südosten. Zurück zum Auto und
los. Wir haben fast kein Benzin mehr und kommen noch bis Kanab. (Auf dem Weg sehen wir ein
„UFO“: ein oranger Kondensstreifen wird extrem
schnell länger und kommt auf uns zu bzw. startet vom Boden
in die Dämmerung, auf einmal wird er hell, dann verbreitert
sich der helle Teil und sieht aus, als würde er von oben mit
einer Lampe beleuchtet, schließlich löst sich der
obere Teil auf, während das Orange noch ewig sichtbar
bleibt, während es verweht - wir rätseln, was das war,
uns fällt aber nichts ein). Die Tankstellen sind hier fast
10 Cent pro Gallone teurer als woanders,
verhältnismäßig viel. Wir tanken und finden
gegenüber einen Supermarkt zum Einkaufen. Die Kassiererin
bemerkt, dass ein Glas mit Salatdressing beschädigt ist und
schickt einen Mitarbeiter, ein neues zu holen (und das um halb
zehn abends). Das ist Service! Wir haben keine Lust zu garnichts
mehr und suchen uns ein Motel; wir finden eins für 36$,
irgendwie nicht gerade billig für eine so ländliche
Gegend. Die nutzen wohl aus, dass sie der einzige Ort weit und
breit auf dem Weg zum Bryce
Canyon sind. Im Motel wird als erstes Internetanschluss
hergestellt - aha, wir finden doch etwas über Paria, diese
Wave wäre etwa doppelt so weit gewesen, wie wir waren. Wir
hätten weiter durch das Wasser stiefeln müssen und
hätten mehr Zeit gebraucht. Verdammt. Aber wir wussten es ja
nicht, man bekommt ja nirgendwo Informationen her, in keiner
Karte ist diese Wave eingezeichnet, beschildert ist auch nichts.
Da muss eine Verschwörung gegen uns im Gange gewesen sein.
Naja, aber wir waren verdammt dicht dran... das nächste mal.
Im Motelzimmer funktioniert der Fernseher nicht, wir müssen
zuerst das Antennenkabel mit einer Krokodilklemme reparieren.
Gut, dass ich die Dinger mitgenommen habe. Und durch die
Wände hört man deutlich ein Schnarchen aus dem
Nachbarzimmer.