Als wir aufwachen, ist es saukalt.
Das war wohl die kälteste Nacht auf der ganzen Reise, wir
warten darauf, dass endlich die wärmende Sonne aufgeht. Die
Landschaft außen herum ist überraschend schön,
blauer Himmel (wie immer), Bäume mit goldgelbem Laub, auf
den Bergen um uns herum Schnee. Wir müssen hier ganz
schön hoch sein. Aber nichts wie weg, und auf nach Bodie, im warmen Auto. Der Weg
führt die letzten Meilen über eine Staubpiste, durch
das „Nichts“, bis plötzlich die Stadt vor uns
auftaucht. Bodie liegt
nordöstlich von Lee
Vining, und wurde gegründet von Waterman S. Bodey, der
1859 hier Gold fand. Binnen weniger Jahre wuchs die Einwohnerzahl
von wenigen hundert auf zehntausend Einwohner. Glücksritter
von überall her auf der Suche nach dem schnellen Geld
siedelten sich in Holzhütten an, und arbeiteten in den Minen
oder in einem der verarbeitenden Betriebe. Wir machen zuerst eine
Führung durch die Standard Stamp Mill, die größte
und letzte erhaltene Mühle. Hier wurde das Erz aus den Minen
mit Maultieren angeliefert (das machten vor allem die chinesische
Bevölkerung, die sich mit Chinatown eine „Stadt in der
Stadt“ schufen) und mit einer Laufkatze oben in das
Gebäude eingefüllt. Dort fiel es durch ein Gitter, die
kleineren Stücke gingen direkt in die Mühle (ein
Hammerwerk, bei dem die schweren Eisenhämmer mit
auswechselbaren Schuhen hochgehoben wurden und durch ihr
Eigengewicht wieder herunterfielen; das Gestein wurde mit Wasser
vermischt und zu Pulver zerstampft), die größeren
mußten vorher von Arbeitern mit dem Vorschlaghammer
zerschlagen werden (angeblich noch einer der angenehmsten Jobs).
Anschließend lief der Gesteinsbrei über breite
Rutschen, die mit Kupferplatten beschichtet waren, und
Quecksilber wurde dazu gegeben. Das Gold und Silber schied sich
dann an den Platten ab, und ein Arbeiter kratzte es herunter und
verwahrte es im Safe, bevor es weiterverarbeitet wurde. Das
übrige Gestein wurde noch über eine Art riesige,
automatische Goldwaschpfanne geleitet, wo weitere
Goldkörnchen herausgeholt wurden; mit diesen Methoden
blieben nur wenige Prozent des Goldes im Gestein zurück.
Angetrieben wurde die Anlage zuerst durch eine Dampfmaschine,
später, nachdem die Mühle komplett abgebrannt war,
stellte man auf Elektrizität um (baute zur Sicherheit
allerdings noch eine Dampfmaschine ein) - betrieben mit
Wechselstrom (wurde dann für die Maschinen gleichgerichtet),
damals eine absolute Neuheit (die Hochspannungsleitungen wurden
schnurgerade durch den Ort gespannt, weil man befürchtete,
dass an einer Biegung Strom entweichen könnte).
Überhaupt installierte man die damals neueste Technik -
allerdings nur in der Fabrik, die normalen Arbeiter konnten sich
das bei weitem nicht leisten. Man verdiente zwar relativ gut,
allerdings waren die Arbeitsbedingungen unmenschlich brutal, 12
Stunden am Tag Knochenarbeit, dem Quecksilber ausgesetzt.
Arbeitsunfälle waren häufig (der Führer zeigte uns
einen Schuh, in dem etwas rasselte - das war der Fuß eines
Arbeiters, der damit unter einen Hammer geraten ist, bis jeder
Knochen in seinem Fuß gebrochen war), und Arbeitssuchende
als Ersatz gab es viele. Dazu kam noch das oft rauhe Klima (in
dieser Höhe, auf gut 2000 m) mit harten Wintern, meterhohem
Schnee und Windgeschwindigkeiten bis zu 150 km/h, die das Leben
in den zugigen Holzhütten schwierig machte. Entsprechend
waren die Arbeiter kaum über 30 - länger hält man
so etwas nicht durch. Und nach der Arbeit gaben sie das Geld
für Vergnügungen wieder aus, wovon die 65 Saloons und
Straßennamen wie „Virgin Alley“ und
„Maiden Lane“ (wo die vielen Prostituierten wohnten)
zeugen. Nachdem der Goldpreis gefallen war, verließen mehr
und mehr Leute die Stadt, Anfang des 20. Jahrhunderts wohnten nur
noch wenige hundert Leute dort, und ab den dreißiger Jahren
ist es eine Geisterstadt, die seit 1962 vor dem Verfall bewahrt
wird. Die erhaltenen Häuser machen nur 5% der
ursprünglichen Bebauung aus!. Wir verlassen Bodie und fahren zurück nach Lee Vining, wo wir etwas
einkaufen und tanken, und dann, am Tioga Lake vorbei, über
den Tioga Pass (3000 m) in den Yosemite Nationalpark. Dieser Park
ist wieder einmal einer, der auf der Karte gar nicht so
groß aussieht, aber in Wirklichkeit sind die Strecken
groß. Es dauert eine ganze Weile, bis wir am Toulumne Meadows Visitor Center sind
(das an diesem Tag das letzte Mal in der Saison geöffnet hat
und deshalb auf alle Artikel einen Preisnachlass gibt), wo wir
uns nach Übernachtungsmöglichkeiten erkundigen. Die
Lodges im Yosemite Valley
sind sehr teuer, wie wir aus dem Reiseführer wissen, aber
die Campingplätze sind alle ausgebucht (so spät in der
Saison???). Platz gibt es nur noch an zwei Campgrounds
außerhalb des Tals, am „Porcupine Flat“ und
„Hodgdon Meadow“.
Wir entscheiden uns für den zweiten (er hat wenigstens
fließendes Wasser), fahren hin, was wieder eine Ewigkeit
dauert, da die kurvige Straße durch die hügelige,
waldige Landschaft einfach kein Ende nehmen will, wobei wir auf
dem Weg einige Waldbrände sehen, und bauen unser Zelt auf.
Das letzte Mal in diesem Urlaub, wie sich später
herausstellt. Nach dem Abendessen (natürlich grillen wir
wieder) unterhalten wir uns noch lange, bis wir dann ins Bett
gehen. Es ist aber noch gar nicht spät, umso besser, weil
wir morgen viel vorhaben.