Ich hatte in dem einen Motel am Flughafen ein paar Prospekte mitgenommen, u.a. dass man hier in der Gegend einen Flugzeugträger besichtigen kann. Den wollen wir uns anschauen, wo gibt es sowas schon. Die USS Hornet liegt in der ehemaligen Alameda Naval Air Station, gar nicht weit weg. Das Schiff war bereits im zweiten Weltkrieg im Einsatz und hat damals die meisten feindlichen Schiffe versenkt. Mehrmals umgebaut (u.a. mit einer schrägen Landebahn, wie heutzutage üblich, ausgestattet) wurde es 1969 noch einmal berühmt, als damit die Apollo 11-Astronauten Neil Armstrong, Edwin Aldrin und Michael Collins nach der ersten Mondlandung aus dem Pazifik geborgen und von Präsident Nixon empfangen wurden. Ein privater Verein kümmert sich heute um den Erhalt und die Restaurierung des Schiffes, nachdem es vor wenigen Jahren vor der Verschrottung gerettet wurde und heute denkmalgeschützt ist. Wir machen eine Führung durch das Schiff, wir sehen den Flugzeug-Lift, der noch funktionsfähig ist und gerade wieder neu gewartet wurde, aber im Betrieb zu teuer ist, um ihn den Besuchern vorführen zu können, die Ankerkette, deren Glieder jeweils 60 kg wiegen, die Schlafräume (hier werden sogar Abenteuerwochenenden angeboten, bei denen Jugendgruppen eine Nacht auf dem Flugzeugträger verbringen können), und dann das Flugdeck, und anschließend machen wir noch eine Führung durch die „Insel“ mit dem Tower, der Brücke (von der guten alten Technik ist leider fast nichts mehr vorhanden, die wurde herausgerissen, als der Flugzeugträger außer Dienst gestellt wurde) und dem Navigationsraum ,ein dunkler Raum, wo für uns die ganzen Leuchtanzeigen angeschaltet werden... Hi-Tech vor zig Jahren. Wir machen eine Fahrt mit dem Flugsimulator (simuliert den Golfkrieg - die Amis haben wirklich keine Skrupel...), und auf dem Achterdeck des Hangars spricht uns ein Amerikaner an, der sehr viel über den Flugzeugträger und die Army und Navy allgemein weiß (Area 51!) und uns begeistert davon erzählt, dass es hier noch viel mehr Militär gegeben habe, aber alles wird nach und nach verlagert, damit im Kriegsfall San Francisco und das Silicon Valley keine Angriffsziele sind, wie die neusten Flugzeuträger sind, was die Strategie der Navy ist (die Schiffe über alle Weltmeere zu verteilen, damit eine Situation wie Pearl Harbor nicht mehr passiert) usw. etc.... offensichtlich war er lange Zeit bei der Armee, und macht aus seiner Begeisterung dafür keinen Hehl. Das ist für uns Deutsche und Ex-Zivis etwas befremdlich... aber in den USA ganz normal. Wie der ganze Verein, dessen Mitglieder mühevoll das Schiff erhalten, restaurieren, Führungen machen, Karten verkaufen... und alle irgendwie vom Militär begeistert sind. Bei uns fast undenkbar. Wir fahren weiter nach San Francisco, wieder über die Bay Bridge; am Yachthafen finden wir einen Parkplatz, und schauen uns etwas um. Von hier aus sieht man links die Golden Gate Bridge und rechts Alcatraz. Hier ist auch eine kleine Grünfläche, und alle paar Minuten kommt ein Jogger vorbei. Das ist typisch an San Francisco, oder vielleicht auch der typisch kalifornische Fitnesswahn: so viele Leute, die durch die Gegend joggen, meist mit Walkman, und gequält-verzerrtem Gesicht, was man nicht alles tut, um dem Schönheits- und Fitnessideal zu entsprechen. Wir tanken schnell noch und fahren dann weiter zur Golden Gate Bridge, wo wir dahinter auf den Aussichtspunkt nordwestlich von der Brücke wollen. Aber ich verpasse die Ausfahrt (weil man nie weiß, wo man abfahren muss: manchmal ist die Ausfahrt auch links, und führt dann unter der Fahrbahn durch, und bei mehreren Fahrbahnen und viel Verkehr ist das Spurwechseln nicht so einfach...), und so fahre ich in Sausalito raus. Dann schauen wir uns die Golden Gate Bridge eben später an. Winzige, enge Gassen führen vom Highway hinunter in den Ort; als wir unten sind, sehen wir einen Wegweiser zum Bay-Modell. Das soll auch sehenswert sein: hier wurde die komplette San Francisco Bay bis ins kleinste Detail, mit alles Zuflüssen und Seitenarmen, als in einer Halle als Modell nachgebaut, und die Gezeiten werden auch simuliert mit einer Zyklusdauer von einer Viertelstunde; Eintritt frei. Aber als wir ankommen, ist seit ein paar Minuten geschlossen, schade. Sausalito zieht sich nördlich von der Golden Gate Bridge an der Bucht entlang, und wegen seiner landschaftlich schönen Lage am Wasser, gegenüber von der Skyline von San Francisco, etwas abgelegen (der Highway ist oben auf dem Berg und stört nicht) und doch mit einer guten Verkehrsanbindung ist das eine noblere Wohngegend, auf dem Hang stehen schöne, großzügige Häuser - hier würde es uns auch gefallen. Aber Sausalito ist vor allem für seine Hausboote berühmt, die wir aber erstmal finden müssen. Wir fahren unten am Ufer entlang Richtung Norden, halten immer wieder an, um zu suchen - und schließlich finden wir sie: mehrere Stege führen ins Wasser, und links und rechts liegen die Hausboote (mehr Häuser als Boote), jedes sieht anders aus, Pflanzen stehen in Kübeln herum, seine Sachen transportiert man mit Einkaufswagen vom Haus über den Steg zum Auto auf dem Parkplatz, vom Steg (mit Geländer) führen Türen und Gangways auf die Boote. Und die Hausboote sind so phantasievoll gemacht, voller guten Ideen, wie man auf dem begrenzten und vorgegebenen Platz auf der schwimmenden Unterlage ein wunderschönes, individuelles und praktisches Haus baut. Diese Siedlung sieht so idyllisch aus, mit dem Blick auf die San Francisco Bay und den gepflegten Bonsai-Häusern. Eine echte Architektur-Sensation, voller guter Beispiele und Denkanstöße. Auf einem anderen Steg geht es nicht so gepflegt zu, man geht zuerst über eine brachliegende Fläche, und der Steg (diesmal ohne Geländer und als schwimmende Pontons angelegt) ist nicht so gut in Ordnung; an manchen Stellen hat er ziemliche Schieflage, ist morsch und bald am Untergehen. Hier wohnen wohl die anarchistischeren Leute, hier herrscht das Chaos, von einem Mast aus führt ein Bündel von Kabeln frei durch die Luft zu den Häusern, die Häuser sind genauso zusammengeflickt. Hier wird wohl eher gebastelt und improvisiert, wer etwas machen will, nagelt sich eben ein Brett dran oder spannt ein Kabel durch die Gegend. Aber ich will das nicht abwerten: das sieht genauso faszinierend aus, da stecken auch eine Menge Ideen drin, es hat auch seinen Reiz, und zeigt auch sicherlich die Toleranz der Einwohner. Wir können uns nicht entscheiden, wo wir lieber wohnen würden. Übrigens: Touristen sind hier eigentlich unerwünscht, sicher kommen massenhaft Leute, und die Einwohner wollen in Ruhe gelassen werden. Aber wenn man sich ruhig und zurückhaltend verhält, haben sie wohl nichts dagegen. Weiter geht es, zu den Muir Woods - ein kleines Tal hier ganz in der Nähe, in dem durch seine Abgeschiedenheit der Bestand an Redwood-Bäumen erhalten wurde. Redwoods kommen nur in einem schmalen Streifen entlang der kalifornischen Küste vor, weiter im Norden gibt es sogar einen Redwood National Park, aber der ist uns zu weit weg - und alle anderen Redwoods wurden gefällt. Diese Bäume gehören zur Gattung Sequoia (heißen sequoia sempervivens), aber haben (im Vergleich zu den 'klassischen' Sequoias) einen dünneren Stamm und sind dafür die höchsten Bäume der Welt (die Sequoias sind dafür die größten Bäume und sogar die größten Lebewesen überhaupt). Der Trail führt, an einem Bach entlang, durch das Tal, wo die Redwoods stehen, die größten sind immerhin 73 m groß. Aber wir fanden sie nicht so beeindruckend, zumindest nicht so sehr wie die Sequoias im Yosemite Park (gut, die Bäume sind sehr groß, und haben auch einen Stammdurchmesser von gut zwei Metern - aber von unten als kleinem Menschen spielt es auch schon keine Rolle mehr, ob der Baum 50 oder 70 Meter hoch ist). Außerdem ist die Sonne untergegangen, es wird schon dunkel. Der Rückweg zum Highway ist relativ lang; weil das Tal so abgelegen ist, führt nur eine kleine, enge Straße dorthin, die sich sehr kurvig durch die Gegend windet, für den Rückweg ist eine andere Strecke ausgeschildert, die doppelt so lang ist. Zurück auf dem Highway fahren wir vor der Golden Gate Bridge raus zum Aussichtspunkt. Als wir von einer Schranke aufgehalten werden, stellen wir das Auto ab und laufen zu Fuß weiter. Man hat hier tatsächlich eine tolle Sicht auf die beleuchtete Brücke; ich versuche, ein paar Videoaufnahmen zu machen (die Kamera packt es gerade so), während Michael sich in Langzeitbelichtungen versucht. Irgend etwas raschelt in den Papierkörben, und als ich nachschaue, springt ein Tier, etwas größer als eine Katze, heraus und verschwindet (Schock!). Es müssen noch ein paar weitere Exemplare um uns herum sein, immer wieder sieht man eines; was ich so in der Dunkelheit erkennen kann, haben die Tiere eine dunkle „Augenbinde“ und sind demnach wohl Waschbären. Auf dem Rückweg mit dem Auto halten wir noch einmal an, wo anscheinend auch ein Aussichtpunkt ist. Wir laufen an irgendwelchen Gebäuden vorbei, und kommen schließlich zu einer großen Betonplatte. Andere Leute stehen auch herum, es ist dunkel und wir sehen nicht viel. Aber auf die Brücke, die direkt vor uns unten im Abgrund steht, hat man einen fantastischen Blick. Das müßte man bei Tag sehen... Wie wir erst später erfahren, muss diese runde Betonplatte, die Gebäude, die Zäune, die ich alle für irgendwelche Tanks oder Wasserreservoirs gehalten habe, eine ehemalige Raketenstellung aus dem kalten Krieg sein! Wir fahren zurück über die Golden Gate Bridge, und biegen dann ab in die Lombard Street. Wenn wir schon einmal durch die Stadt müssen (und dazu noch in der Nacht bei weniger Verkehr), dann nicht über die großen Durchgangsstraßen, sondern wir wollen noch etwas besichtigen. Die Lombard Street selbst ist eine Attraktion: sie wird schmaler und steiler, ist dann eine Einbahnstraße und für LKWs gesperrt, und geht schließlich sehr steil den Berg hinauf (sicherlich eine der steilsten Straßen von S.F.; die steilste hat angeblich einen Neigungswinkel von 31° !!!), kreuzt oben die Hyde Street mit ihrer Cable Car Linie, und führt auf der anderen Seite in Serpentinen hinunter - aber die Häuser stehen normal nebeneinander, nur die Fahrbahn selbst schlängelt sich innerhalb der Straße nach unten, zwischen bepflanzten Beeten hindurch, bis zur nächsten Querstraße, wo es dann flacher wird. Wirklich „the crookiest street of the world“. Wir fahren weiter geradeaus, den Berg hinunter, und dann wieder hinauf, schließlich fährt man einmal rund um den Hügel und man ist da - auf dem Telegraph Hill, mit dem Coit Tower obendrauf, der schön weiß angestrahlt ist. Alle Parkplätze sind belegt, ein paar Autos warten, aber immer wieder wird ein Platz frei, und bald haben wir auch einen. Man hat von hier, im Nordosten von San Francisco, aus einen sehr schönen Rundblick über den Hafen, Alcatraz, die Bay Bridge und den Rest der Stadt. Es wäre genial, wenn der Turm geöffnet hätte... aber er ist leider zu. Aber schön ist es hier oben, unterhalb einer kleinen Mauer ist alles mit Büschen bepflanzt, und auf der Mauer, zwischen den Münzfernrohren, sitzen die Leute und auch viele Liebespaare und genießen den lauwarmen Abend (immerhin ist schon Mitte Oktober). Das wäre sicher auch einer meiner Lieblingsplätze in San Francisco. Dann fahren wir zurück ins Motel.