Wir fahren früh los,
über die Trail Ridge Road durch den Nationalpark, und halten
an verschiedenen Aussichtspunkten an. Die Berge sind sehr hoch,
aber nicht so zerklüftet wie in den Alpen; sie sind
gleichmäßiger, langgezogener und weiter auseinander
als in den Alpen. Alles sieht riesig aus, weil es eben weite
Täler sind, mit sehr hohen Bergen außenrum. Die Amis
haben eine Technik, Straßen zu bauen, die nur noch seltsam
ist. Auf Berge geht es nicht in Serpentinen rauf, sondern die
Straße führt den gesamten Berg entlang nach oben oder
geht manchmal sogar geradeaus nach oben, auf keinen Fall gibt es
enge Kurven, und die Straße ist immer zweispurig und
meistens mit Standstreifen. So etwas wie enge Serpentinen, wo man
fast anhalten muss, ausholen muss und das Auto dann bei
Gegenverkehr um die Kurveninnenseite rumzirkeln muss, sind
unbekannt; man fährt die Berge genauso rauf wie bei uns auf
einer Bundesstraße! So ist es kein Wunder, dass wir
ziemlich bald die Baumgrenze auf ca. 3500 m Höhe erreichen,
die Straße geht bis auf 12183 ft hoch. Dahinter befindet
sich das Alpine Visitor
Center, das aber leider noch nicht offen hat. So fahren wir
weiter den Berg runter (dort gibt es Serpentinen, die sind aber
so weit, dass man in den Kurven fast nicht abbremsen muss,
sondern zügig durchfahren kann - obwohl die
Geschwindigkeitslimits was anderes sagen, die sind wohl mit
großen Sicherheitsreserven kalkuliert, damit die Amis mit
ihren Riesentrucks problemlos durchfahren können. Unten am
Milner Pass befindet sich die
amerikanische Hauptwasserscheide (continental divide), auf der
einen Seite fließt das Wasser über den Big Thompson
River, Missouri und Mississippi in den Golf von Mexiko und somit
in den Atlantik, während das Wasser auf der anderen Seite
über den Colorado in den Golf von Kalifornien und somit in
den Pazifik fließt. Die Straße führt weiter
durch das Tal des Colorado, der dort ein kleiner Bach ist und
ganz in der Nähe entspringt. In ein paar Tagen werden wir
ihn im Grand Canyon wiedersehen... Weiter geht es am Ende des
Nationalparks in Granby auf der Bundesstraße 40, die wieder
ziemlich hoch auf die Berge hinauf führt. Auf der anderen
Seite geht es runter nach Georgetown, wo wir tanken, und von dort
auf einer winzigen Straße weiter nach Süden (wieder
durchs Gebirge, aber diese Straße hat echte Serpentinen!
Außerdem ist sie in der zweiten Hälfte nicht mehr
geteert, es gibt Waschbrettstrukturen auf der Straße, die
das Auto ziemlich durchrütteln; wenn man schneller
fährt, geht das ganz gut, aber man darf eben kein Schlagloch
übersehen... vor allem die auf der Serpentineninnenseite
sind ganz übel, aber die phantastische Aussicht auf die
Umgebung entschädigt für alles). In Grant erreichen wir
wieder Zivilisation, und ab da wollen wir keine Abkürzungen
mehr fahren, man kommt halt einfach nicht voran. Auf der
Bundesstraße 285 geht es Richtung Denver, dann ab Pine Junction auf der
Staatsstraße 67 bis Woodland Park (Problem: die
Straße geht ewig den Berg hoch, wo wir nicht so schnell
fahren können, weil das Auto nicht gerade
übermotorisiert ist; auf der anderen Seite geht es genauso
weit runter, dort bremst uns das Geschwindigkeitslimit aus; die
Straße ist zwar kurvig, aber etwa 50% schneller könnte
man schon fahren, es ist eben blöd, wenn das Auto so
schön rollen würde, aber man die ganze Zeit auf der
Bremse stehen muss (wahrscheinlich, damit die Amis den Tempomat
reinhauen können und mit konstanter Geschwindigkeit auch
durch die Kurven fahren können, obwohl sie einen Riesentruck
haben). So ging es uns übrigens oft. Auf der
Bundesstraße 24 geht es weiter nach Westen zum Florissant Fossil Beds National
Monument, wo es auch versteinerte Bäume gibt. Allerdings
macht der Park eine halbe Stunde später zu, so dass wir
weiterfahren müssen. Die Straße, die sich bisher durch
das hügelige Land schlängelte, geht plötzlich in
eine Ebene runter, und dort schnurgerade fast bis zum Horizont.
Dann geht es auf der 285 weiter nach Süden; wir zweigen nach
Salina ab, weil vor uns
Straßenbauarbeiten sind und wir was zu essen brauchen. Wir
essen was im Pizza Hut (teuer!) und erkundigen uns nach einem
Supermarkt; am Ortsende gibt es einen Wal Mart, wo wir einkaufen
(Chips, Kekse, Bananen, Pudding). Als wir rauskommen, ist es
schon dunkel (ca. 19:30 h), und wir müssen noch sehr weit.
Auf der Bundesstraße 285 geht es weiter nach Süden,
über den Poncha Pass (Straße geht mit leichter
Steigung schnurgerade den Berg rauf!) in eine weite Ebene, und
dort 64 Meilen fast schnurgerade! Dazwischen liegen drei Orte,
die aber alle winzig sind; man merkt vom Ort eigentlich nur, dass
ein paar Häuser neben der Straße stehen und die
Geschwindigkeit reduziert ist. Ansonsten die gleiche
Straße. Es ist schon ein irres Gefühl: man fährt
mit konstanter Geschwindigkeit (65 mph), am Horizont tauchen
Autoscheinwerfer auf, der andere fährt genauso schnell (wir
nähern uns mit über 200 km/h!), aber wir begegnen uns
erst nach einigen Minuten. Man fährt immer stur geradeaus,
es ist fast kein Verkehr, alle paar Minuten mal ein Auto, man
lenkt nicht, man beschleunigt oder bremst nicht, man fährt
einfach dahin... da muss man aufpassen, dass man nicht
einschläft. Im Ernst: ich habe mich ein paar mal ertappt,
wie ich in Gedanken total abschweife und vergesse, dass ich ein
Auto fahre, man kommt sich vor wie in einem Computerspiel, die
Straße verliert ihre Räumlichkeit, wenn sich nichts
verändert und man immer nur draufstarrt. In Mosca biegen wir
ab Richtung Dünen, weitere 16 Meilen schnurgerade, dann sind
wir am Great Sand Dunes National Monument. Wir entscheiden uns,
im Park auf dem Campingplatz
zu übernachten (davor gäbe es auch einen Campingplatz),
bauen das Zelt auf und gehen schlafen.